Bertelsmann erweitert Forschungsauftrag zur "Stern"-Geschichte

Wie war das mit den gefälschten Hitler-Tagebüchern?

24. Februar 2023
Redaktion Börsenblatt

Bertelsmann lässt den Umgang des Unternehmens mit den gefälschten Hitler-Tagebüchern, die vor 40 Jahren für einen Medienskandal gesorgt hatten, wissenschaftlich aufarbeiten. Ein bestehender Forschungsauftrag an das renommierte Institut für Zeitgeschichte (IfZ) in München wird erweitert. Und ein TV-Tipp: Die "Hitler-Tagebücher" waren auch Thema in der vierten Folge von "Reschke Fernsehen" (ARD).

Bereits im August 2022 hatte der Bertelsmann-Vorstand der Mitteilung zufolge das Institut für Zeitgeschichte (IfZ) um eine unabhängige Aufarbeitung der Geschichte des Magazins "Stern" gebeten. Die historische Analyse durch das IfZ wird mehrere Jahre in Anspruch nehmen. Die Ergebnisse werden vollumfänglich veröffentlicht, betont Bertelsmann. Im Zuge des Forschungsprojektes werden alle historisch relevanten Unterlagen von Gruner + Jahr bzw. dem "Stern" ins Unternehmensarchiv von Bertelsmann nach Gütersloh überführt.

Jetzt wird der Forschungsauftrag um die Untersuchung über den Umgang mit den gefälschten "Hitler-Tagebüchern" erweitert. Im April 1983 hatte der "Stern" erklärt, Hitlers geheime Tagebücher befänden sich in seinem Besitz, wenige Tage später wurden Auszüge veröffentlicht – eine Echtheitsuntersuchung des BKA wurde nicht abgewartet. Im Mai erklärte dann das BKA, es handele sich zweifelsfrei um Fälschungen. Die Fälschungen hatte Konrad Kujau angefertigt. Der "Stern" hatte da bereits 62 Bände gefälschter Tagebücher für insgesamt 9,3 Millionen DM erworben. Einer der größten Medienskandale der Bundesrepublik.

Wie konnte es zur Veröffentlichung der gefälschten Hitler-Tagebücher kommen?

Thomas Rabe, CEO von Bertelsmann, sagt: "Die Publikation der gefälschten Hitler-Tagebücher im April 1983 bildet ein eigenes Kapitel in der Geschichte des 'Stern'. Wir halten es für notwendig, den Umgang mit der Entdeckung, Bewertung und Veröffentlichung der gefälschten Tagebücher bei Gruner + Jahr und Bertelsmann wissenschaftlich untersuchen zu lassen." Er freue sich sehr, dass das Institut für Zeitgeschichte als unabhängiger Partner bereit ist, im Rahmen der bereits angelaufenen Erforschung der 'Stern'-Geschichte diesem Aspekt besondere Aufmerksamkeit zu widmen. "Wir werden auch diesen Teil der wissenschaftlichen Arbeit des IfZ vollumfänglich unterstützen." 

Das IfZ untersucht im Auftrag von Bertelsmann bereits die Phase ab der Gründung des "Stern" durch Henri Nannen 1948 bis zu dessen Ausscheiden 1983. Mit der Analyse will Bertelsmann einen objektivierenden, wissenschaftlichen und nachhaltigen Beitrag zur jüngst wieder aufgekommenen Diskussion um die Person des langjährigen "Stern"-Chefredakteurs Henri Nannen (1913–1996) leisten.

Mit der historischen Analyse des Umgangs mit den gefälschten Hitler-Tagebüchern werden Forschungszeitraum und -gegenstand erweitert, um ein objektives Bild zu erhalten, wie und warum es zur Veröffentlichung der Fälschung kommen konnte.

Angesiedelt ist die Forschungsarbeit beim stellvertretenden Direktor des Instituts für Zeitgeschichte, Magnus Brechtken, der als ausgewiesener Experte für die Auseinandersetzung mit dem Erbe des Nationalsozialismus gilt. Das Institut für Zeitgeschichte hat bereits zahlreiche Studien dieser Art erfolgreich durchgeführt. Auf Seiten von Bertelsmann wird das Projekt vom Unternehmensarchiv begleitet, das zur Unternehmenskommunikation des Konzerns gehört.

Zum Hintergrund

Die erste Ausgabe des "Stern" erschien am 1. August 1948 im neu gegründeten Stern-Verlag Henri Nannen. Seit 1965 wird der "Stern" durch die seinerzeit neu gegründete Gruner + Jahr GmbH & Co. KG verlegt. Bertelsmann erwarb 1969 zunächst 25 Prozent an Gruner + Jahr und stockte diesen Anteil bis 1976 auf 74,9 Prozent auf. 2014 übernahm Bertelsmann die restlichen Anteile und wurde damit zum alleinigen Eigentümer. Seit dem 1. Januar 2022 ist Gruner + Jahr Teil von RTL Deutschland.

TV-Tipp: "Reschke Fernsehen" über die gefälschten Hitler-Tagebücher

Für "Reschke Fernsehen" (ARD), Folge 4 der Recherche-Show am 23. Februar, konnten Anja Reschke und ihr Team alle 60 Bände der gefälschten Hitler-Tagebücher lesen. "Und die Lektüre offenbart Erschreckendes: Konrad Kujau, der selbsternannte Fälscher vom Führer, hat Hitlers Verbrechen systematisch verharmlost. Und die Recherche zeigt: Er hatte enge Verbindungen in die Neonazi-Szene", so die Ankündigung des Senders.

Der Beitrag (29 Minuten) ist noch in der ARD-Mediathek zu sehen: hier