"Als wir vor knapp dreißig Jahren begonnen haben, unseren Verlag neu aufzubauen, war Martin Pollack einer der Ersten, mit dem ich mich treffen wollte", erinnert sich der Verleger Herbert Ohlinger. Schon damals sei Pollack eine berühmt gewesen "als Kenner sowohl des versunkenen als auch des möglicherweise neue entstehenden Mitteleuropas". Diese Kenntnissen ermöglichten das Erscheinen von polnische Autoren im Zsolnay Verlag.
Doch auch seine eigenen Titel entstanden. Ohlinger erzählt: "Mit 'Anklage Vatermord' (2002) über den in den 1920er Jahren stattgefundenen und antisemitisch grundierten Mordprozess gegen den später weltberühmten Fotografen Philippe Halsman fiel er zuerst auf als dokumentarischer Romancier, dem es gelang, aus scheinbaren Marginalien das Panorama einer Zeit zu schaffen. [...] 'Der Tote im Bunker – Bericht über meinen Vater' holte eine Familiengeschichte vor den Vorhang, die sich bei Licht betrachtet als Stück österreichischer Nationalgeschichte liest. Bei dem titelgebenden Toten handelte es sich nämlich um Martin Pollacks leiblichen Vater, der als SS-Sturmbannführer auf der Kriegsverbrecherliste stand und 1947 am Brenner erschossen wurde. Sensibel, erschütternd, stilistisch aufs Äußerste zurückgenommen kommt der Sohn dem unbekannten Vater auf eine Weise nahe, die Zuneigung zeigt und zugleich keine Spur des Zweifels darüber aufkommen lässt, wie dessen abscheuliches Handeln zu bewerten ist. Völlig zu Recht gilt dieses in viele Sprachen übersetzte Buch heute als Meilenstein der Erinnerungsliteratur."
"Wer aus so einer Familie wie ich stammt, verschreibt sich lebenslang dem Imperativ des Niemals-Vergessen", sagte Martin Pollack einmal. Ohlinger meint: "Diesem deutschnationalen Milieu, das in Grenzregionen wie der ehemaligen Untersteiermark, dem heutigen Slowenien, besonders ausgeprägt war und aus dem sich seit eh und je Fremdenhass und Antisemitismus speisen, widmete Pollack auch sein letztes großes Buch, 'Die Frau ohne Grab – Bericht über meine Tante' (2019)."