Lesen to go!
Ein gewagtes Buchexperiment hat den Wettbewerb „Best Book Design from all over the World“ 2024 gewonnen. In einer Freihandausstellung der Stiftung Buchkunst auf der Buchmesse sind alle „Schönsten der Schönen“ zu bewundern.
Ein gewagtes Buchexperiment hat den Wettbewerb „Best Book Design from all over the World“ 2024 gewonnen. In einer Freihandausstellung der Stiftung Buchkunst auf der Buchmesse sind alle „Schönsten der Schönen“ zu bewundern.
Wie in jedem Jahr kürten Anfang Februar Jurorinnen und Juroren aus fünf Ländern in der Deutschen Nationalbibliothek in Leipzig die „Schönsten Bücher aus aller Welt“. Annähernd 600 Bücher aus 34 Ländern – von Österreich, Belgien und Kanada bis zur Ukraine und Venezuela – galt es auf Herz und Nieren zu prüfen. Eine Herausforderung für Jianping He (China/Deutschland), Päivi Helander (Finnland), Isidora Nikolić (Serbien), Alexandra Stender (Deutschland) und Scott Vander Zee (USA) – aber auch ein großes Privileg, ist der Wettbewerb doch weltweit einzigartig. Aber was heißt Wettbewerb? Für Birte Kreft, die neue Geschäftsführerin der Stiftung Buchkunst, liegt die Stärke von „Best Book Design from all over the World“ gerade darin, „wie es immer wieder gelingt, Menschen, Kulturen und unterschiedlichste Designansätze zusammenzubringen – und das Verbindende zwischen ihnen sichtbar zu machen.“
Der Konferenz-Reader Walking as Research Practice (Gehen als Forschungspraxis”), eine niederländisch-schweizer Koproduktion in Mini-Auflage und ohne ISBN, hatte diesmal die Herzen fast aller Juroren im Sturm erobert und mit der Goldenen Letter die höchste Auszeichnung des Wettbewerbs gewonnen. Die Designerin Jana Sofie Liebe und die Herausgeberin Lynn Gommes haben in enger Zusammenarbeit mit der Binderei ein Buch entwickelt, das buchstäblich im Gehen, Warten und Stehen gelesen werden will. Ein Buch, das, so sagte es eine Jurorin, „sofort zum Vertrauten“ wird – und das auch Jurymitglied Scott Van der Zee aus New York am liebsten nicht mehr aus der Hand geben mochte: „Es fühlt sich rau an – du kannst es zusammenrollen wie eine Zeitung, die zu ein paar Seiten zusammengebunden wurde. Du kannst damit rumlaufen. Es ist nicht nur Theorie – es ist in Praxis überführte Theorie! Und jeder Einzelne von uns wollte dieses Ding mit zur Straßenbahnhaltestelle nehmen!“
Ähnlich begeistert fällt die Jury-Begründung aus: „Ein, wenn auch eher kleines, doch nicht weniger bedeutsames Werk. Ein auf besondere Art gebundenes, handliches Büchlein. Angenehme Papierhaptik und ein rauer wie lebendiger Buchschnitt vereinen sich zu einem perfekten unvollkommenen Objekt, das sowohl Emotion als auch Inspiration im Lesenden hervorbringt.“ Zuvor hatte der Reader sowohl im niederländischen wie im Schweizer Wettbewerb gepunktet. Obsiegt hat ohne Zweifel ein Buch-Experiment, über das sich trefflich streiten lässt – das Publikum stimmte mit der Kreditkarte ab: Die wenigen Exemplare, die der publizierende Soapbox Verlag auf die Indie-Messe „It’s a Book“ in der HGB mitgebracht hatte, waren im Nu ausverkauft.
13 weitere Auszeichnungen – eine Goldmedaille, zwei Silbermedaillen, fünf Bronzemedaillen und fünf Ehrendiplome – gingen an Bücher aus Dänemark, Deutschland, China, Finnland, Frankreich, Norwegen, der Schweiz und Tschechien. Auf die 21 Bücher umfassende Shortlist haben es immerhin drei Bücher aus Deutschland geschafft, darunter „Shell Reader“, der Siegertitel des deutschen Wettbewerbs. Eine größere Anzahl der ausgezeichneten Designerinnen und Designer sowie Vertreter ‚ihrer’ Verlage nahmen die Ehrenurkunden selbst in Empfang und wurden, bei Grauburgunder und Sekt, zwischen den „Schönsten“ gebührend gefeiert.
Ebenfalls in Leipzig dabei war Siri Lee Lindskrog, Jury-Mitglied des vergangenen Jahres, deren in Kopenhagen gegründetes Studio Formal Settings [https://formal-settings.com] inzwischen einen Berliner Ableger hat. Lindskrog und Formal Settings verantworten auch den Katalog des aktuellen Jahrgangs von „Best Book Design from all over the World“ – ein „dreidimensionales Buch-Objekt, das mit der Schwerkraft spielt“, so die Designerin. Das Buch kann, etwa in Ausstellungen, aufgehängt werden, und bleibt dennoch in verschiedenen Winkeln lesbar. Die von Formal Settings entwickelte Schrift Grammar Sans „verbindet Buchstaben, so wie die Arbeit der Stiftung Länder rund um den Globus verbindet“.
Die Ausstellung „Best Book Design from all over the World“ ist nach der Buchmesse noch einmal in Leipzig (27. April – 26. Mai, Spinnereigelände, Halle 14) zu sehen – und tourt dann über Luzern (5. – 16. Oktober, Weltformat Festival), Frankfurt/Main (16. – 20. Oktober, Buchmesse), Vilnius (7. – 30. November) und Tokyo (Dezember 24 – März 25, Printing Museum) bis ins isländische Garðabær (Januar – Februar 2025).