Gibt es Autor*innen bei Kiepenheuer & Witsch, die in ihren Romanen gendern möchten? Und wenn ja: Wie gehen Sie im Lektorat damit um?
Wir hatten bisher in einem einzigen Roman ein, zwei Stellen, an denen gegendert wird, ansonsten noch nicht. Aber das ist auch kein Schreckgespenst, sondern eine Möglichkeit des sprachlichen Ausdrucks.
Kann gegenderte Literatur gute Literatur sein? Es gäbe da wohl so einige, die das verneinen würden …
Natürlich kann gegenderte Literatur gute Literatur sein. Dass das Gendersternchen oder andere Genderformen von vielen Menschen (noch) als enorm störend empfunden werden, die darin vielleicht auch einen Angriff sehen, ist ja nur die eine Seite der Medaille. Sprache ist im Fluss, manchmal gibt es Beschleunigungen, und wenn dadurch in Zukunft sogar neue literarische Formen entstehen, kann das ja durchaus als Bereicherung gesehen werden.
Wenn sich Autor*innen eine gendergerechte Sprache im Roman wünschen – würden Sie ihnen dann auch die Entscheidung überlassen, wie sie gendern? Also mit Sternchen, Binnen-I oder Doppelpunkt? Oder müssten, sollten Verlage hier eine Art Richtlinie entwickeln?
Wir würden das unseren Autor:innen überlassen, aber innerhalb eines Textes für Einheitlichkeit plädieren (es sei denn, der Wechsel ist motiviert und hat eine Funktion), d.h. nicht zwischen den unterschiedlichen Formen hin und herspringen.
Wie stellt sich das Thema in Übersetzungen dar? Sind in Übersetzungen beim Gendern noch einmal besondere Aspekte zu beachten?
In der Belletristik hat sich diese Frage noch nicht gestellt, in Sachbüchern schon eher, und da ist die Zielgruppe entscheidend sowie die Art des Textes. Im Zweifelfall würden wir auch mit den Autor:innen Rücksprache halten.
Wie halten Sie selbst es mit dem Gendern in der Verlagskommunikation, im Marketing, in der Vorschau?Wir gendern in der offiziellen Verlagskommunikation nach außen mit Sternchen, z.B. auf unserer Website, schreiben aber auch mitunter aus, z.B. bei liebe Buchhänderinnen und liebe Buchhändler. Es ist intern den Mitarbeiter:innen überlassen, ob und welche Formen sie benutzen, ich persönlich finde den Doppelpunkt am besten. Interessant ist es zu sehen, dass Gendern ansteckend wirkt und sich viele Kolleg:innen schon sehr daran gewöhnt haben und es aktiv benutzen. Im Verlag sehen die meisten das Gendern als eine positive Entwicklung.
Glauben Sie, dass in fünf Jahren viele Romane in gendergerechter Sprache erscheinen – erstens, weil wir uns alle daran gewöhnt haben, zweitens, weil gerade die jungen, jetzt nachrückenden Autor*innen ein anderes Bewusstsein für gendergerechte Sprache entwickelt haben?
Es wird beides geben, gegendert und ungegendert, und das ist ja auch gut so. Sprache ist individuell, Sprachkunst erst recht, und sie soll es auch bleiben. Ich hoffe aber, dass sich die Grabenkämpfe in fünf Jahren gelegt haben werden – weil es vielen in Fleisch und Blut übergegangen ist oder weil alle merken: Es passiert nichts Schlimmes, wenn die einen gendern und die anderen es nicht tun.
Haben Sie als Verlag schon Rückmeldungen von Leser*innen auf Ihre Genderpraxis bekommen?
Klar, sowohl auf die Homepage als auch auf Newsletter. Als wir noch nicht gegendert haben, gab es Beschwerden, weil wir es nicht tun, jetzt wird manchmal geschimpft, dass wir es tun. Aber es hält sich in Grenzen.