Interview mit Sandra Hartwig, V-Label-Team

"Der vegane Druck nimmt an Bedeutung zu"

7. August 2024
von Charline Vorherr

Immer mehr Druckereien interessieren sich für den veganen Druck. Die offizielle Lizenz für vegane Druckprodukte vergibt das V-Label-Team von ProVeg Deutschland. Im Interview gibt Sandra Hartwig, Senior Non-Food-Manager, einen Überblick darüber, welche Materialien lizenzierungsrelevant sind, und wie es um die Nachfrage nach veganer Buchproduktion steht. 

Sandra Hartwig, Senior Non-Food Manager bei ProVeg Deutschland, e.V.

Das V-Label-Team von ProVeg Deutschland e.V. hat 2020 ein offizielles Siegel für vegane Druckprodukte entwickelt. Wie läuft die Lizenzierung in der Produktion ab? 
Produkte mit dem V-Label "vegan" sind frei von tierischen oder an Tieren getesteten Materialien und werden ohne tierische Hilfsmittel hergestellt. Strebt eine Druckerei eine V-Label-Lizenz an, dann nimmt das Prüfteam sämtliche Schritte im Produktionsablauf genau unter die Lupe. Eine Druckerei muss also sicherstellen – und bestätigen –, dass für die zu lizenzierenden Druckprodukte auch die Weiterverarbeitung bei der Buchbinderei den Kriterien des V-Labels entspricht.

Das ist besonders einfach, wenn der weiterverarbeitende Betrieb ebenfalls eine V-Label-Lizenz für (Teile seiner) Druckprodukte hat. Druckereien und Buchbindereien müssen außerdem für jegliche in der Produktion eingesetzten Rohstoffe eine Bestätigung des Lieferanten einreichen, dass die Rohstoffe alle Anforderungen des V-Labels erfüllen. Das gilt auch für Hilfsstoffe, die im fertigen Produkt nicht mehr nachzuweisen sind. Anschließend prüft das V-Label-Team das gesamte eingereichte Materialportfolio.

Wie viele Druckereien sind inzwischen Lizenznehmer?
In Deutschland gibt es derzeit etwa eine Handvoll Druckereien, die Druckprodukte im Portfolio haben, die das V-Label tragen. Beispiele dafür sind oeding print GmbH und Kirchner Print.Media GmbH & Co. KG. Mehrere weitere Druckunternehmen befinden sich mit Druckprodukten im Lizenzierungsverfahren. Insgesamt haben Lizenzierungsanfragen von Druckereien seit Anfang des Jahres erkennbar zugenommen.

Wie viele Materialien sind inzwischen lizenziert?
Die Lizenzierung von Druckprodukten einer Druckerei kann durchaus rund 150 Materialprüfungen mit sich bringen. Einen großen Anteil haben dabei die vielfältigen Papiersorten, die in einer Druckerei zum Einsatz kommen.

Außerdem prüft das V-Label unter anderem folgende Materialien:

  • Farben
  • Toner
  • Auswaschlösungen
  • Lacke
  • Feuchtmittel
  • Reducer
  • Druckpuder
  • Klebstoffe
  • Folien
  • Textilien wie Garn/Zwirn
  • Conditioner (Verarbeitungshilfsmittel zur Steigerung der Druckqualität)
  • Drucktücher
  • Aufhärter
  • Waschmittel
  • Waschwickel
  • Kapitalband
  • Leinenfälzel
  • Krepppapier
  • Alternative Kleber/Cellophanierung


Wie schätzen Sie die Nachfrage nach dem V-Label für Druckprodukte im Zeitverlauf ein?
Die Nachfrage nach Druckprodukten mit dem V-Label steigt eindeutig, und zwar mit Blick auf den gesamten Produktionsprozess: von der Papier- und Druckfarbenherstellung über den Druck und die Buchbindung bis hin zum Verlag. All diese Branchen kommen derzeit vermehrt auf das V-Label-Team zu und erkundigen sich nach einer Lizenzierung. Allein im ersten Halbjahr 2024 hat das V-Label-Team schon mehr Neukunden-Anfragen aus der Druckbranche und ihrem Umfeld erhalten als im gesamten Vorjahr.
 

Das vegan hergestellte Buch über einen mutigen Fuchs ist im CalmeMara Verlag erschienen – und trägt das V-Label.

Der Kunstkatalog Multispecies Futures* setzt die großformatigen Ölgemälde des Leipziger Künstlers Hartmut Kiewert in 184 Farbabbildungen in Szene – als Hardcover mit Fadenbindung, mit V-Label-Lizenz vegan gedruckt und gebunden bei oeding print in Braunschweig.

Wo genau sehen Sie Wachstumspotenziale? Und wo Herausforderungen?
Ein offensichtlicher Wachstumsmarkt für vegane Druckprodukte sind Kochbücher im Plant-based-Segment. Für einige Druckereien wie Kirchner Print stellen auch vegane Verpackungen, etwa für Nahrungsmittel, einen wichtigen Markt dar. Hinzu kommen Kinder- und Jugendbücher – Der vegane Kinderbuchverlag Next Level ist hierfür ein Beispiel. Aus gutem Grund: Studien wie die Jugendumfrage der Heinrich-Böll-Stiftung kommen zu dem Ergebnis, dass jungen Menschen Tierrechte besonders stark am Herzen liegen.

Zugleich besteht bei den Lizenznehmern und bei den Lieferanten noch viel Aufklärungsbedarf. Denn beides ist richtig: Der vegane Druck nimmt an Bedeutung zu und der vegane Druck ist ein Pionierbereich. Gerade die Lieferanten zeigen sich oft noch unsicher. Das Thema ist für sie sehr neu und sie können ihre Lieferketten teils nur mit Mühe entlang der gesamten Wertschöpfungskette nachvollziehen. Aufklärung braucht es auch bei der Leserschaft. Vielen Menschen ist derzeit noch nicht klar, wie viel an einem Buch eigentlich tierisch sein kann.

Gibt es auch Druckereien, die nicht ökologisch fokussiert sind, aber Druckprodukte lizenzieren lassen?
Druckereien, die sich für eine Lizenzierung interessieren, möchten in erster Linie ihr Portfolio erweitern. Einige Druckereien verstehen den veganen Druck außerdem als ein ethisches Angebot, einige als ein nachhaltiges Angebot. Die Bandbreite der Lizenznehmer und -interessenten und ihrer Motive ist groß. Wichtig ist den Druckereien dabei, dass die Bücher und Broschüren allen Ansprüchen an eine konventionelle Produktion gerecht werden. Übrigens: Den ausschlaggebenden Impuls für eine Lizenzierungsanfrage können auch langfristige Druckereikunden, also die Verlage, geben.

Ist die V-Label-Lizenzierung für vegane Druckprodukte einzigartig oder kennen Sie ähnliche Bestreben außerhalb von Deutschland?
Die Organisation The Vegan Society hat im Vereinigten Königreich und Nordirland den Verpackungshersteller und Zulieferer SmurfitKappa zertifiziert. Darüber hinaus sind uns keine weiteren Lizenzierungen von Druckprodukten neben den V-Label-Lizenzen bekannt.

Haben Sie darüber hinaus auch Überblick über die (Anzahl der) Verlage, die das V-Label für ihre Publikationen schon genutzt haben oder geht das alleine über die Druckereien?
Lizenznehmer des V-Labels sind momentan Druckereien und Buchbindereien. Diese können je für unterschiedliche Verlage und Imprints tätig sein. Und natürlich erhalten die Druckereien und Buchbindereien auch von Unternehmen, Gewerkschaften und Vereinen Aufträge, zum Beispiel für Flyer und Broschüren.

Aktuell befindet sich ein Verlag im Prozess der V-Label-Lizenzierung. Bitte haben Sie Verständnis, dass wir vor Abschluss des Lizenzierungsprozesses jedoch keine näheren Angaben machen können.

Sie und viele weitere Stakeholder der veganen Bücher wollen Bewusstsein schaffen für tierische Inhaltsstoffe in Druckprodukten. Sie wollen das Thema vegane Bücher vorantreiben. Können Sie mir dazu mehr erzählen?
Das V-Label-Team war in diesem Jahr erstmals auf der Leipziger Buchmesse als Aussteller vertreten, zusammen mit einem Verlag, einer Druckerei und einer Buchbinderei. Das Ausstellerteam hat Messebesucher in mehreren Vorträgen zum veganen Druck aufgeklärt und Fragen der Verlage und Leser beantwortet.

Eine weitere zentrale Gruppe dürfen wir nicht vergessen: Autoren, für die ein veganes Druckprodukt zum kommunikativen Gesamtkonzept der Veröffentlichung gehört. Auch ein Autor war deshalb am gemeinsamen Stand auf der Buchmesse vertreten – und hat sein vegan gedrucktes und gebundenes Buch vorgestellt und signiert.

Ebenso wichtig sind die direkten Gespräche des V-Label-Teams mit Lizenznehmern und Herstellern. Der Kreis der Unternehmen, die eine Neukunden-Anfrage stellen, erweitert sich beständig und umfasst inzwischen unterschiedlichste Zuliefererbranchen.

Wer sich ganz unverbindlich von zu Hause aus über das V-Label und veganen Druck informieren möchte, schaut am Besten auf unseren Instagram-Kanal vlabel.deutsch. Dort veranstaltet das V-Label übrigens auch immer wieder Gewinnspiele mit Verlagen, die bereits vegan drucken.

Mehr zum veganen Buchdruck erfahren Sie im Thema der Woche in Heft 16 des Börsenblatts.