Literatur für Frauen

Der Frauenbuchverlag Orlanda hat sich neu aufgestellt

22. April 2021
Sabine van Endert

Migration, Flucht, Diskriminierung von Minderheiten: Der als Frauenbuchverlag gestartete Orlanda-Verlag hat sich thematisch breiter aufgestellt – und ist damit erfolgreich.  

Es war ein bisschen still geworden um den Orlanda- Verlag, mit Gründungsdatum 1974 einer der ältesten Frauenbuchverlage. 2017 stellte sich Orlanda neu auf; der Fokus Frauengesundheit und Frauenpolitik wurde erweitert. »Frauen, Weltkultur, Bewegung« heißt seither die Orlanda-Programmbeschreibung. Und mit der Autobiografie »Mist, die versteht mich ja« von Florence Brokowski-Shekete konnte der Verlag im vergangenen Jahr einen Bestseller landen. 

 »Die Unterdrückung von Frauen geht ja in der Regel einher mit anderen Diskriminierungen, dem wollten wir umfassender gerecht werden«, sagt Annette Michael, Geschäftsführerin und Programmleiterin Belletristik / Kinderbuch des Orlanda-Verlags. »Themen wie Migration, Flucht und Diskriminierung von Minderheiten spielen deshalb jetzt eine wichtige Rolle bei uns.« Neben Annette Michael kümmern sich Anna Mandalka (Programmleitung Sachbuch / Vertrieb) und Penelope Dützmann (Social Media) um den Verlag, zusammen mit einem Team freier Mitarbeiter*innen. Im Jahr 2020 wurden 110 000 Euro umgesetzt. 

Wir sind jetzt in einem größeren Themenspektrum relevanter.  

Annette Michael, Orlanda-Verlag

Orlanda für Kinder

30 Titel sind aktuell lieferbar, pro Jahr erscheinen zehn bis zwölf Bücher, unter anderem in den Reihen welt bewegt und afrika bewegt mit Autor*innen wie Tsitsi Dangarembga, Najat El Hachmi, Sulaiman Addonia und Barbaros Altuğ. In der nächsten Woche bringt Orlanda sein erstes Kinderbuch auf den Markt, das Bilderbuch »Salma, die syrische Köchin« von Danny Ramadan – die Geschichte eines Mädchens, das seine Mutter nach der Ankunft im neuen Land wieder zum Lächeln bringen will. Weitere sollen folgen –analog zu den Schwerpunkten, die Orlanda im Erwachsenenbuch besetzt. »Diese Themen aus Sicht von Kindern und für Kinder zu erzählen und so schon im jungen Alter zu besserem Verständnis zu verhelfen und vor allem aber auch zu ›empowern‹ – das ist uns ein Anliegen«, so Annette Michael. 

Im Corona-Jahr hatte Orlanda bisher Glück, nicht nur dank Florence Brokowski-Sheketes Erfolgsbuch. Die intensive Aufbauarbeit rund um das neue Verlagsprofil zahle sich langsam aus, sagt Michael: »Wir werden besser wahrgenommen, und wir sind in einem größeren Themenspektrum relevanter.« 

Stellungnahme zum Orlanda-Porträt der ehemaligen Orlanda-Verlegerin

Zum Porträt des Orlanda Verlags, das wir im Rahmen eines Schwerpunkts zum Thema Literatur für Frauen im Börsenblatt Heft 15 veröffentlicht hatten, erreichte uns diese Stellungnahme der ehemaligen Orlanda-Verlegerin Dagmar Schultz, die wir hier im Wortlaut veröffentlichen:  

Ein Appell gegen die Tendenz, Verlagsgeschichte und Frauengeschichte unsichtbar zu machen

Am 15. April 2021 erschien im Börsenblatt des Deutschen Buchhandels der Artikel von Sabine van Endert: Orlandas Weg Migration, Flucht, Diskriminierung von Minderheiten: Der als Frauenbuchverlag gestartete Orlanda-Verlag hat sich thematisch breiter aufgestellt – und ist damit erfolgreich.

Die Autorin stellt fest:

„Es war ein bisschen still geworden um den Orlanda-Verlag, mit Gründungsdatum 1974 einer der ältesten Frauenbuchverlage. 2017 stellte sich Orlanda neu auf; der Fokus Frauengesundheit und Frauenpolitik wurde erweitert [....]. Die Unterdrückung von Frauen geht ja in der Regel einher mit anderen Diskriminierungen, dem wollten wir umfassender gerecht werden’, sagt Annette Michael, Geschäftsführerin [...]“

Diese Darstellung erfordert eine Richtigstellung.

Das Programm des gegenwärtigen Orlanda Verlags ist erfreulich – die Verleugnung der Tradition auf der es aufbaut ist  bedauerlich. In den 80er und 90er Jahren hat der Orlanda Frauenverlag Pionierarbeit geleistet mit der Veröffentlichung der belletristischen sowie Sachbuch- Literatur von Schwarzen Frauen und Women of Color in Deutschland und weltweit. Titel zu Rassismus, Antirassismus, Antisemitismus und der Situation migrierter und rassismuserfahrener Frauen waren ein fester Bestandteil des Programms. Dies ist vielen Menschen bekannt, die die Backliste des Verlages noch immer schätzen.

Bereits 1983 erschien das erste Buch mit Texten von Audre Lorde und Adrienne Rich (Macht und Sinnlichkeit). Es folgten Titel wie z.B.:
Ellen Kuzwayo Mein Leben. Frauen gegen Apartheid;
Audre Lorde ZAMI; Auf Leben und Tod. Krebstagebuch; Lichtflut. Neue Texte; Die Quelle unserer Macht. Gedichte; 
Oguntoye, Opitz, Schultz (Hg.) Farbe Bekennen. Afro-deutsche Frauen auf den Spuren ihrer Geschichte;

Ayla Neusel, Şirin Tekeli, Meral Akkent (Hg.) Aufstand im Haus der Frauen. Frauenforschung aus der Türkei; 
Florence Hervé (Hg.) Namibia. Frauen mischen sich ein; 

Marion Kraft, Rukhsana Shamin Ashraf-Khan (Hg.) Schwarze Frauen der Welt. Europa und Migration; 
Gloria I. Joseph (Hg.) Schwarzer Feminismus. Theorie und Politik Afro-amerikansicher Frauen; 
Hügel, Lange, Ayim, Bubeck, Aktaş, Schultz (Hg) Entfernte Verbindungen. Rassismus Antisemitismus Klassenunterdrückung; 
May Ayim blues in schwarz weiss mit den Folgebänden nachtgesang und Grenzenlos und unverschämt. 
In den 80er Jahren beschloss der Verlag, sein Team von weißen Frauen um Schwarze Frauen zu erweitern.
2018 stellte der Orlanda Frauenverlag den Insolvenzantrag. Der Name des Verlages wurde jedoch übernommen.

Wieso kann die Verlegerin des Orlanda Verlags - wenn sie sich schon durch die Verwendung des Namens Orlanda in die Tradition des Orlanda Frauenverlags stellt - nicht öffentlich anerkennen, dass ihr Verlag inhaltlich auf dem Programm des Orlanda Frauenverlags aufbaut und dabei eigene Schwerpunkte setzt?

Sicher ist dieses Verhalten nicht im Sinne von Audre Lorde, May Ayim, Ellen Kuzwayo, Zeida Houari, Gülşen Aktaş, Fatima Mernissi, Marion Kraft, Shamim Ashraf-Kahn, Gloria I. Joseph, Gotlinde Magiriba Lwanga, Stella Benhavio, Ika Hügel-Marshall, Carlotta Marchand und den vielen anderen Autorinnen, die im Orlanda Frauenverlag veröffentlichten und mit Lesungen und Veranstaltungen ihre politischen Ideen verbreiteten.

Wir haben uns als Frauen gegen die Unsichtbarmachung von Frauengeschichte und Frauenarbeit gewehrt. Sowohl aus wissenschaftlichen als auch aus politischen und ethischen Gründen sollten wir Strukturen nicht wiederholen, die Geschichte umschreiben, verzerren, unsichtbar machen. Wir können erfolgreich sein, indem wir uns Anerkennung zollen, nicht jedoch indem wir uns verleugnen!

Dagmar Schultz (Verlegerin des Orlanda Frauenverlags bis 2001)
Dagmar Schadenberg und Andrea Krug (ehemalige Orlanda-Mitarbeiterinen, heute Verlag Krug & Schadenberg)
Ika Hügel-Marshall (ehemalige Mitarbeiterin des Orlanda Frauenverlags)
Ilona Bubeck (ehemalige Mitarbeiterin des Orlanda Frauenverlags, heute Quer verlag)
Laura Méritt (Autorin und Herausgeberin beim Orlanda Frauenverlag)
Jim Baker (Verleger Quer verlag)