Kinderhörbuch

"CDs haben es im Buchhandel zunehmend schwer"

11. Februar 2022
Nicola Bardola

Die Mediennutzung im Kinderhörbuch verändert sich: Der Umsatzanteil im Streaming wächst, das physische Segment spielt aber weiterhin eine tragende Rolle. Welche Altersgruppen gerade wie bedient werden, erklären Katharina Markward und Katharina Hammann. Leitung Oetinger Media.

Wie wird sich der Hörbuchmarkt voraussichtlich weiterentwickeln?
Katharina Markward: Die Richtung, in die sich der Hörbuchmarkt bewegt, ist schon lange offensichtlich. Allerdings hat Corona die Entwicklung gerade im Kinderhörbuch massiv beschleunigt. Im Erwachsenenmarkt war diese Verlagerung schon länger zu spüren, für die jungen Altersgruppen ist die Verschiebung der Umsätze von physisch zu digital innerhalb der letzten zwei Jahre hingegen erheblich. Die Marktentwicklung ist sehr spannend: der Audio-Boom dauert an, hohe Umsätze sind möglich, bisher branchenferne Unternehmen entdecken den Markt für sich, neue Abspielgeräte werden entwickelt. Für die bestehenden Verlage bedeutet das: Es eröffnen sich neue Möglichkeiten. Gleichzeitig heißt es mit der großen Dynamik Schritt zu halten. Auf einen Boom folgt im Normalfall eine Konsolidierung des Marktes. Die Entwicklung des Hörbuchmarktes wird aber dynamischer bleiben, als wir das aus der Vergangenheit mit CDs und MCs kennen.

Wie verändert sich das Verhältnis zwischen physischen Datenträgern und Online-Angeboten?
Katharina Hammann: Lagen wir im Jahr 2019 noch bei 56 % des Umsatzes für die physischen Datenträger, ist dieser Anteil im Jahr 2020 auf 41 % geschrumpft. Da die Auswertungen für den Digitalvertrieb noch nicht abschließend vorliegen – die Abrechnung findet zeitversetzt statt –, kennen wir die genauen Zahlen für 2021 noch nicht, rechnen aber damit, dass der Umsatzanteil für den physischen Vertrieb bei etwa 30 % liegen wird.

Auch innerhalb des Digitalmarktes ist eine Verschiebung offensichtlich: 2019 lagen wir noch im hohen zweistelligen Bereich, was den prozentualen Anteil der Downloadumsätze am Digitalvertrieb angeht. Die Marktentwicklung geht sehr deutlich Richtung Streaming. Auch konnten wir unser Angebot im Streaming massiv ausbauen, da wir zunehmend eine Offenheit der Rechteinhaber*innen verspüren. Diese ist angesichts der Marktentwicklung sehr zu begrüßen. Meiner Meinung nach müssen Stoffe dort stattfinden, wo die Nutzer*innen eben zu erreichen sind, zumal im Kinderhörbuch. Für das Jahr 2021 fehlen wie gesagt noch die finalen Zahlen, wir werden uns aber ungefähr bei einem Umsatzanteil 50/50 für Download und Streaming am Digitalvertrieb einpendeln.

Wie entwickeln sich die Vertriebswege für CDs?
Markward: CDs haben es im Buchhandel zunehmend schwer, der stationäre Handel ist und bleibt aber ein wichtiges Standbein für uns. Wir entscheiden bei der Programmplanung sehr bewusst, welche Titel im Handel gut funktionieren. Wir sind hier natürlich von den Kolleg*innen im Sortiment abhängig, sehen aber für diese Titel und Reihen große Chancen auch auf den Tischen im Buchhandel. Die Mediennutzung verändert sich zwar, das physische Segment spielt aber weiterhin eine tragende Rolle, gerade im Kinderhörbuch.

Wie differenzieren Sie zwischen Hörbuch-Abos (Downloads) und Hörbuch-Flatrates (Streaming)?
Hammann: Der Umsatzanteil im Streaming wächst. Die hohe Anzahl der erreichbaren Streams machen die niedrige Erlösbasis in diesem Segment teilweise wett. Zudem ist Streaming ein langfristiges Geschäft: Jede Einzelnutzung wird vergütet – im Gegensatz zur CD und zum Download – und mit jedem Klick steigt die Reichweite. Windowing ergibt im Segment für Kinder und Jugendliche nicht bei allen Titeln Sinn, dennoch prüfen wir die Veröffentlichungsstrategie für jeden Titel genau. Oft ist es von Vorteil, überall präsent zu sein – eben da, wo die Hörer:innen sind. Auch seitens der Rechtegeber:innen verspüren wir hier zum Glück eine zunehmende Offenheit – andere müssen und sollten sich hier noch einen Schubs geben.

Wie verändert sich das Verhältnis in den Haushalten zwischen klassischen Abspielgeräten und mobilen Geräten?
Markward: Diese Frage kann sich eigentlich Jede:r anhand des eigenen Nutzungsverhaltens beantworten: Wie hören Sie selbst Musik oder Hörbücher? Welche Geräte nutzen Sie für sich selbst, welche für Ihre Kinder? Die Vielfalt genutzter Abspielgeräte ist größer geworden, neben CDs und auch teilweise tatsächlich noch MCs, die in den Familien weitergereicht werden, sind Geräte wie die Toniebox und die Tigerbox getreten. Auf dem Markt der innovativen Abspielgeräte ist das Ende der Fahnenstange noch lange nicht erreicht, hier wird es immer wieder Neuigkeiten geben. Auch das Smartphone spielt natürlich eine zunehmend wichtige Rolle.

Welche Rolle spielt dabei das Alter der Kinder?
Hammann: Das Alter der Kinder spielt eine große Rolle. Heute ändert sich das Konsumverhalten mit dem Alter entscheidender als früher: Spielten damals vor allem verschiedene Inhalte für verschiedene Altersgruppen eine Rolle, wird nun auch das Medium ausgetauscht. So werden 12-Jährige in der Regel keine Toniebox mehr nutzen, in der Altersgruppe unter sechs werden innovative Abspielgeräte, die die für Kinderhände schwer handhabbare CD ersetzen, dagegen zunehmend an Bedeutung gewinnen. Auch wird – im Gegensatz zu früher – nicht mehr nur ein Abspielgerät genutzt, sondern situationsbedingt entschieden.

Markward: Wir erleben, dass Titel für die ganz Kleinen derzeit noch in eine Lücke fallen. Innovative Player wie die Tonie- und die Tigerbox können naturgemäß nicht alle Character und Reihen und vor allem Einzeltitel für ihr Gerät veröffentlichen. Es ist gleichzeitig schwierig, die ganz Kleinen im Download oder Streaming zu erreichen. Hier ergibt sich sicher eine Chance für den Buchhandel, gerade die Titel herauszustellen, die es digital noch sehr schwer haben. Gleichzeitig ist es eine Herausforderung für Verlage und die ganze Branche: Wie erreichen wir auch die ganz kleinen Hörer:innen mit einem umfassenden Portfolio, in dem auch Einzeltitel oder Reihen ohne Bestseller-Potential einen Platz finden?

Hammann: Die starken Oetinger-Hausautor:innen und starke Reihen wie Alea, die Olchis, Unter meinem Bett, Panem etc. funktionieren sowohl physisch als auch digital sehr gut. Einzeltitel haben es natürlich schwerer, und auch eine ausreichende Reichweite für die Titel in der jüngsten Altersgruppe zu erreichen, stellt uns zunehmend vor Herausforderungen. Insgesamt stellen der physische und digitale Vertrieb zwei starke und bedeutende Umsatz-Säulen dar. Der Handel und die Verlage tun gut daran, sie zu bespielen und zu fördern.

 

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