Sonntagsfrage mit Kaspar Pflaum zum Vorlesewettbewerb unter Corona-Bedingen

"Wir waren noch nie so nah dran an den Vorleser*innen"

23. Mai 2021
Redaktion Börsenblatt

Seit über 60 Jahren begeistern sich Schulen und Schüler*innen für den Vorlesewettbewerb, gerade gehen – als letzte Etappe vor dem Finale – die Landesentscheide über die digitalen Bühnen. Wie der Vorlesewettbewerb wegen Corona ins Digitale verlagert wurde und was von den „Learnings“ der Corona-Krise bleiben wird, erklärt Kaspar Pflaum, Projektleiter Leseförderung im Börsenverein in der Sonntagsfrage.

Wir haben mit dem Vorlesewettbewerb agiles Arbeiten und Digitalisierung im Schnelldurchlauf erlebt und erlernt. Vor allem haben wir durch schnelle und mutige Entscheidungen die Weiterführung und damit die Zukunft des Wettbewerbs selbst gestalten können. Dies ging nur mit Vertrauen, Flexibilität und durch die Unterstützung der Förderer, Veranstalter, Lehrer*innen und Partner. Beispielsweise haben wir in der Hochphase der Pandemie mit dem rbb ein komplett kontaktloses Finale produzieren können, der erste Live-Stream überhaupt, der jemals in der ARD-Mediathek erschien.

Datenschutz-Bestimmungen erfordern komplexen Anmeldeprozess

Die erste Corona-Welle hat uns im Frühjahr 2020 mitten im laufenden Wettbewerb getroffen. Wir mussten den Vorlesewettbewerb nach über 500 Kreisentscheiden, die wie alle weiteren Runden in öffentlichen Veranstaltungen stattfinden, unterbrechen. Wir haben dann – obwohl nicht einmal die E-Mail-Adressen der Teilnehmenden vorlagen – unter großem Zeitdruck das neue digitale Portal aufgebaut, mit dem wir im Juli den Wettbewerb weiterführen konnten.

Dank unserer frühen Umstellungen im letzten Jahr haben wir die Grundlagen dafür geschaffen, dass der Wettbewerb in diesem Jahr nach der Schulebene komplett digital stattfinden konnte. Die über 4.300 Schulsieger*innen reichten ihre Vorlese-Beiträge per Video über das neue Web-Portal ein. Da dabei Datenschutz-Bestimmungen beachtet und Einwilligungen der Eltern erforderlich sind, musste dazu ein komplexer Anmeldeprozess im Hintergrund aufgebaut werden. Alle Teilnehmenden erhalten einen individuellen Link zum Upload ihres Videos, das dann automatisch dem zugehörigen Kreis zugeordnet und ausschließlich der jeweiligen Jury präsentiert wird. 

Mit etwas Überzeugungsarbeit konnten wir auch die wenigen Zögernden der über 650 regionalen Veranstalter – hauptsächlich Buchhandlungen und Bibliotheken, die ehrenamtlich die Entscheide vor Ort organisieren – davon begeistern, auch die digitale Variante mit großem Engagement durchzuführen.

Entscheide wurden mit Presse- und Social Media-Beiträgen wunderbar nach außen getragen

In den einzelnen Wettbewerbsrunden hatten wir durchgängig fast hundertprozentige Teilnahmequoten. Wir haben eine großartige Resonanz von Seiten der Schulen und den Teilnehmenden erfahren, die dankbar für die Weiterführung des Wettbewerbs waren. Viele andere Schulwettbewerbe und Projekte mussten coronabedingt komplett abgebrochen werden, umso größer war der Bedarf von Schulen an digitalen Bildungsangeboten während des Homeschoolings.

Mit etwas Überzeugungsarbeit konnten wir auch die wenigen Zögernden der über 650 regionalen Veranstalter – hauptsächlich Buchhandlungen und Bibliotheken, die ehrenamtlich die Entscheide vor Ort organisieren – davon begeistern, auch die digitale Variante mit großem Engagement durchzuführen. Die von den Veranstaltern gebildeten lokalen Jurys, insgesamt über 2.500 Juror*innen, hatten über einen individuellen Jury-Link Zugriff zu „ihren“ Video-Einreichungen und beurteilten die Beiträge mit einem angepassten digitalen Bewertungsbogen. Besonders gefreut hat uns, wie viele Veranstalter ihre Entscheide mit Presse- und Social Media-Beiträgen so wunderbar nach außen getragen haben.

Als Organisatoren waren wir noch nie so nah an den Teilnehmenden, haben die Schwierigkeiten im Home-Schooling am eigenen Leib erlebt und erfahren, welche wichtige Funktion der Wettbewerb in der Leseförderung einnimmt. Am Ende hat sich nicht nur der Vorlesewettbewerb neu erfunden, alle Beteiligten – Schulen, Eltern, Veranstalter, Partner und nicht zuletzt die Kinder mit ihren großartigen Videos – haben etwas Neues entstehen lassen.