Die Sonntagsfrage

Was ist das Erfolgsrezept für Ihre Gesprächskreise, Frau Engelhardt?

30. Juli 2023
Redaktion Börsenblatt

Seit 40 Jahren ist Katharina Engelhardt (77) Inhaberin der Buchhandlung Büchereck am Rathaus in Vellmar bei Kassel – und sie ist stolz auf die lange, erfolgreiche Zeit. Noch stolzer ist Engelhardt allerdings auf die monatlichen Treffen ihrer Gesprächskreise und Vereinslesungen. In der Sonntagsfrage verrät sie ihr Erfolgsgeheimnis.

Wie kam es zur Gründung der Gesprächskreise und des Literaturvereins?

Ich habe meine Buchhandlung im August 1983 eröffnet, übrigens mit einer Rede von Siegfried Unseld. Im Oktober desselben Jahres habe ich den ersten „Gesprächskreis“ etabliert. Mich hat es schon immer sehr erfüllt, den Austausch mit meinen Kunden über meine Lieblingsbücher zu pflegen, und Empfehlungen auszusprechen. Schließlich kam ich auf die Idee, meine Leidenschaft als monatliches Ritual einzuführen. Die Gesprächskreise waren so erfolgreich, dass ich zwei Jahre später zusammen mit etwa 20 Interessenten zusätzlich den Literaturverein Ecke und Kreis ins Leben gerufen haben, der fortan Autorenlesungen veranstaltete und den die meisten Literaturfreunde mit meiner Buchhandlung verbinden. 339 veranstaltete Lesungen zähle ich seit der Gründung. Die Autoren habe ich alle ausgesucht, Termine vereinbart und die passenden Veranstaltungsorte ausgesucht – alle in Vellmar.  Bis heute bin ich für das Programm des Vereins zuständig.

Wer darf alles an den Gesprächskreisen und Lesungen teilnehmen?

Die Türen zu unseren monatlichen Gesprächskreisen und Lesungen stehen jedem offen. Die unterschiedlichsten Leute nehmen an dem Austausch teil, wobei ich jedes Mal aufs Neue von der Diversität und dem Enthusiasmus positiv überrascht bin, den jede und jeder Einzelne der Teilnehmer mitbringt. Die Teilnahme an den Gesprächskreisen erfolgt ohne jegliche Anmeldung - auf unserer Website Gesprächskreis (buchhandlung.de) findet man die Übersicht aller bisher behandelten Taschenbücher und das „Taschenbuch des Monats“. Für die Lesungen bedarf es jedoch  Kartenreservierungen – buchbar auf unserer Website  www.ecke-und-kreis.de mit der Übersicht der Veranstaltungsvorschauen und -Rückblicken.

400 Diskussionsrunden erfolgten seit der Gründung Ihres Gesprächskreis – was ist Ihr Schlüssel zum Erfolg?

Ich würde sagen, dass der Kern meines Erfolgs auf der Basis des analogen Gesprächs beruht. Da wir die Lesungen nicht online anbieten und sie auch nach Abschluss nicht separat hochgeladen werden, erfolgt jede einzelne Lesung auf einer erzählerischen Ebene, face to face – ein Aspekt, der meiner Meinung nach eine persönlichere und familiäre Atmosphäre schafft. Bei der Auswahl des zu lesenden Taschenbuchs befolgen wir ebenfalls die goldene Regel: Keiner der Teilnehmer und Teilnehmerinnen soll das Buch schon vorher gelesen haben, alle starten auf gleicher Ebene. Natürlich gehe ich nie davon aus, dass einige Teilnehmer das Buch noch nicht kennen, aber alle lesen den Titel vorher gegeben falls erneut, weil der Inhalt nicht mehr zum Diskutieren präsent ist. Des Weiteren sollte man als Leiter solcher Gesprächskreise natürlich eine gewisse Leidenschaft und Hingabe mitbringen, da einem oftmals viel Freizeit durch die Vorbereitungen und Planungen verloren geht. Das ist es aber definitiv wert – die Arbeit erfüllt mich.

Meine Tätigkeit als Buchhändlerin und mein Literaturclub sind mein Leben. 

Stichwort Freizeit: Wie läuft es bei Ihnen mit der Work-Life-Balance?

Wie schon erwähnt, bleibt mir nicht viel Freizeit. Um 5:30 Uhr beginnt mein Tag in der Buchhandlung und um 14 Uhr verabschiede ich mich in den Feierabend. Zuhause lese ich dann zwar viel, jedoch bleiben anfallende Routinetätigkeiten in Bezug auf die Gesprächskreise und den Literaturverein nicht außen vor. Es ist auch keine Seltenheit, mich an einem Sonntagmorgen im Laden sitzen zu sehen. Unfassbar dankbar bin ich für meine treuen Mitarbeiter, die das Geschäft nach meinem Feierabend wunderbar auch ohne mich führen. Der gleiche Dank gilt meinem Lebensgefährten, der mich auf vielen Ebenen tatkräftig unterstützt – zum Beispiel durch die Übernahme digitaler Aufgaben im Laden. Erst kürzlich zog ein schreckliches Unwetter über Vellmar, heute sieht dort kaum ein Garten oder ein Grundstück aus wie vorher. Auch das Dach meiner Buchhandlung hat es getroffen und durch den Regen, Sturm und Hagel sind einige meiner Deckenplatten zerstört worden, der Teppichboden wurde in kürzester Zeit ebenfalls vollkommen durchnässt. Ich dachte, dass jetzt ein natürliches Ende meines Bücherecks gekommen ist, aber nach genau vier Wochen des gemeinsamen Anpackens sieht alles wieder fast normal aus. Ohne meine großartigen Vertrauenspersonen wäre ich nicht so weit gekommen und würde sicher nicht an dem Punkt stehen, an dem ich mich gerade befinde.

Fragen: Yelda Altan

Auch wenn ich Sonntagsmorgen in meiner Buchhandlung sitze, weiß ich, dass ich mir im Leben nichts anderes mehr gewünscht hätte.