Die Sonntagsfrage

Warum liest eine ganze Uni ein Buch, Frau Vogel?

18. Dezember 2022
Redaktion Börsenblatt

Alle Studierenden der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz lesen im Sommersester ein Buch, nämlich "Whalerider" von Witi Ihimaera. Warum? Welcher wissenschaftliche Nutzen lässt sich aus so einem „Big Read“ ziehen? Wie wird die Leseaktion begleitet und gibt es dafür Vorbilder? Antworten von Anke Vogel, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Buchwissenschaft der Uni Mainz.

Anke Vogel

Anke Vogel

Die Idee zu „Eine Uni – ein Buch“ kommt vom Stifterverband, der aktuell auch eine Ausschreibung hat, auf die sich Hochschulen bewerben können. Die jeweiligen Gewinner erhalten 10.000 Euro als Förderung für die geplanten Aktionen. Alle Hochschulen in Deutschland sind eingeladen, ein Buch zu bestimmen, über das die Mitarbeiter:innen, die Studierenden, Campus-Anwohner usw. ins Gespräch kommen. Für die Organisation der Aktion an der Uni Mainz ist ein interdisziplinär zusammengesetztes Team zusammengekommen, das sich teilweise schon von anderen Projekten her kannte. Gemeinsam sorgen wir für den organisatorischen Rahmen, in den sich dann kleinere Teilprojekte einfügen werden. 

Wie viele am Ende an der Leseaktion mitmachen werden? Das ist schwer zu prognostizieren. An der Johannes Gutenberg-Universität sind rund 30.000 Studierende eingeschrieben. Das Projekt richtet sich aber ausdrücklich nicht nur an sie, sondern auch an alle Mitarbeitenden der Hochschule – sowohl wissenschaftliche wie auch nicht-wissenschaftliche und auch für die städtische Öffentlichkeit werden die Angebote geöffnet sein. Eine konkrete Zahl zu nennen, ist also schwierig, wir vertrauen aber darauf, dass die Neugier auf Neuseeland und die neuseeländische Literatur groß sein wird.

Zentrales Element: Ringvorlesung

Ein zentrales Element der Aktion ist eine Ringvorlesung, die interdisziplinäre angelegt ist. Neben Kultur, Sprache und Mythen der Maori, die für das ausgewählte Buch eine wichtige Rolle spielen, werden zum Beispiel auch Themen aus den Geowissenschaften aufgegriffen, Wale werden in den Blick genommen, es wird das Problem Plastik im Meer angesprochen, rechtliche Aspekte werden beleuchtet und auch Fragestellungen rund um das Thema Migration. Am Ende wird der Autor Witi Ihimaera selbst sprechen.

Warum haben wir uns für „Whalerider“ von Witi Ihimaera entschieden?

Der coronabedingte Ausnahmezustand der vergangenen Jahre hat auch an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz Studierende und Lehrende sowie Mitarbeitende der Verwaltung zeitweilig stark betroffen und an den heimischen Schreibtisch gefesselt. Die zufälligen Begegnungen auf dem Campus, der ungezwungene Austausch mit Kommilitoninnen und Kommilitonen aus anderen Studienfächern, mit Kolleginnen und Kollegen aus anderen Arbeitszusammenhängen, Pausentreffen und Flurgespräche sind weggefallen. Das haben wir als Ausgangspunkt genommen und überlegt, was uns am meisten fehlt. Die Möglichkeit, reisen zu können, wurde häufig geäußert und wir haben uns überlegt, was der von Mainz aus gesehen weiteste Punkt wäre, an den man reisen könnte. So kamen wir auf Neuseeland, neuseeländische Literatur und schließlich auf „Whalerider“. Das Projekt haben wir dann unter den Titel: „Antipoden? Eine literarische Erkundung Neuseelands“ gestellt.

In der Mensa wird es eine Woche lang neuseeländische Gerichte geben und wir schaffen einen Begegnungsraum, der einen direkten Kanal auf die andere Seite des Globus öffnet.

Neben der interdisziplinären Ringvorlesung wurde schon erwähnt, zudem wird es eine digitale Leserunde geben. In verschiedenen Fächern werden Lehrangebote mit Bezug zu „Whalerider“ gemacht und für Interessierte geöffnet. Außerdem machen wir Neuseeland auf dem Mainzer Campus erlebbar: In der Mensa wird es eine Woche lang neuseeländische Gerichte geben und wir schaffen einen Begegnungsraum, der einen direkten Kanal auf die andere Seite des Globus öffnet. Ein musikalisches Rahmenprogramm ist geplant und zum Auftakt soll es eine Party geben.

Und der wissenschaftliche Nutzen des Ganzen?

Grundsätzlich ist immer dann Interdisziplinarität gefragt, wenn es gilt, komplexe Fragen zu beantworten. „Whalerider“ stellt sehr viele Fragen in den Raum, denen wir uns gemeinsam annähern. Die Ergebnisse werden wir am Ende dann übrigens wieder in einer Publikation zusammenfassen.