Die Sonntagsfrage

Warum gehören Kinderbücher aufs Blaue Sofa, Frau Zipfel?

20. Februar 2022
Redaktion Börsenblatt

Die Kinderbuchautorin Dita Zipfel sollte mit ihrem Buch „Brummps“, das soeben bei Hanser erschienen ist, eigentlich auf dem Blauen Sofa in Leipzig sitzen - bis die Veranstalter abwinkten, weil Kinderbücher von diesem renommierten Format grundsätzlich ausgeschlossen werden. Warum es keine gute Idee ist, „bestimmte Menschen, die für bestimmte Menschen schreiben", einfach mal komplett zu ignorieren, erklärt Dita Zipfel in der Sonntagsfrage.

Kinderbücher gehören aufs Blaue Sofa, weil Literatur Literatur ist, auch wenn Kinder- und Jugend- davor steht. Weil wir alle mal Kinder waren. Weil der Prozess des Schreibens der gleiche ist, egal welche Altersempfehlung am Ende drauf steht. Weil gute Kinder- und Jugendliteratur auch für Erwachsene ein Genuss ist (nicht, dass Erwachsene das Maß aller Dinge wären). Weil es sowieso kompletter Irrsinn ist, Menschen bis zum Alter von 18 Jahren in Schubladen zu stecken, die suggerieren, alle 6-, 7-, 8-jährigen wären irgendwie gleich und dann, mit dem 18. Geburtstag gilt das nicht mehr?

Altersdiskriminierung is a thing, das gilt für diejenigen, die in Rente sind, genauso wie für die, die in die Kita gehen.

Es gibt keine Senior:innenliteratur, oder? Ich meine, stellen Sie sich mal vor: Jemand beschreibt sich selbst als Repräsentant:in wichtiger Autor:innen, schließt aber alle aus, deren Bücher vorwiegend von über 65-jährigen gelesen werden. Altersdiskriminierung is a thing, das gilt für diejenigen, die in Rente sind, genauso wie für die, die in die Kita gehen. Und hier haben wir es mit einer ziemlich machtvollen Institution zu tun, die die Möglichkeit hätte, daran etwas zu ändern. Und sie tut in völliger Selbstverständlichkeit und ohne jede Scham das Gegenteil. 

Denn ja, Autor:innen, die hier sitzen, sitzen hier nicht nur, weil sie „es geschafft“ haben, wie auf der Website des Blauen Sofas zu lesen ist, nein, sie „schaffen es“ auch besonders dann, wenn sie hier sitzen dürfen. Dieses Sofa ist also auch ein Ort, der entscheidet, wer „es schafft“. Wer als wichtig wahrgenommen wird. Irgendjemanden da von vorneherein auszuschließen ist Diskriminierung. Und dumm. Denn alle, die den Gesprächen, die auf dem Blauen Sofa geführt werden, lauschen, werden um eine Facette der Kultur, der Literatur, der Unterhaltung gebracht.

Wenn Sie wollen, dass Leute Bücher lesen, dann tun Sie etwas dafür, dass Menschen heranwachsen, die Bücher lesen. Dann unterstützen Sie diejenigen, deren Job es ist, Kinder zum Lesen zu motivieren. 

Abgesehen davon: Wer, glauben Sie, sitzt denn da im Publikum und hört den Bodo Kirchhoffs und Martin Suters dieser Welt zu? Die Wenigsten werden mit „Die dunkle Seite des Mondes“ ihre Lesebiographie gestartet haben. Wenn Sie wollen, dass Leute Bücher lesen, dann tun Sie etwas dafür, dass Menschen heranwachsen, die Bücher lesen. Dann unterstützen Sie diejenigen, deren Job es ist, Kinder zum Lesen zu motivieren. Dann behandelt weder die Rezipient:innen, die Multiplikator:innen noch die Produzent:innen von Kinder- und Jugendliteratur mit Geringschätzung.

Sogenannte Kinder- und Jugendbuchautor:innen haben genauso viel oder wenig zu sagen wie andere Autor:innen auch. Vielleicht ist es sowieso an der Zeit, das Kinder- und Jugend- vor der Literatur grundsätzlich zu streichen, dann muss ich auch nicht mehr in so viele enttäuschte Gesichter gucken, weil ich auf die Frage: Was schreibst du denn so?, einfach mit „Literatur“ antworten kann.