Die Sonntagsfrage

Sollte nicht vorlesenden Eltern das Kindergeld gekürzt werden, Herr Klein?

15. Januar 2023
Redaktion Börsenblatt

Moritz Klein, seit September 2022 Verleger des Peter Hammer Verlags, hat im Fragebogen der „BuchMarkt“-Kolleg:innen eine Kindergeldkürzung ins Spiel gebracht für Eltern, die ihren Kindern nicht vorlesen. Das meinte er sicher nicht ernst, oder? Wie Moritz Klein sich gelungene Leseförderung vorstellt, erklärt er in der Sonntagsfrage. 

Moritz Klein

Moritz Klein

Nein, die Antwort war natürlich nicht ernst gemeint. Strom abdrehen halte ich für viel effektiver! Im ernst, es gibt viele tolle Aktionen zur Leseförderung. Wenn man sich z.B. anschaut, was engagierte Buchhandlungen in Kooperation mit Kitas, öffentlichen Bibliotheken auf die Beine stellen, ist das sehr beeindruckend. Das sind jedoch immer individuelle und punktuelle Ansätze und letztendlich Versuche, auf privater Ebene ein politisches Problem zu lösen. Diese Basisarbeit ist ungemein wichtig und nicht genug wertzuschätzen, aber es braucht für diese gesamtgesellschaftliche Herausforderung ein übergeordnetes institutionelles Engagement, einen politischen Willen.

Wege zu mehr Chancengleichheit

Das Bundesprogramm „Sprach-Kitas“ war z.B. ein solcher Ansatz (leider ist die Vergangenheitsform hier angebracht, da die Finanzierung stark gekürzt wurde und für die Zukunft auf der Kippe steht). Hier wurde Leseförderung durch zusätzliche pädagogische Fachkräfte in den Kitas gefördert und damit die Voraussetzung für Wissensaneignung, soziale Integration und kulturellen Teilhabe geschaffen. Ein guter Weg zu mehr Chancengleichheit für Kinder unabhängig von ihren Herkunftsmileus! Wichtig sind z.B. auch die Initiative „Gütesiegel Buchkita“ oder „Lesart“ in Berlin sowie die Arbeit der IG Leseförderung, die immer wieder tolle neue Ideen entwickelt.

Wir engagieren uns mit kleineren Maßnahmen für die Leseförderung - ansonsten konzentrieren wir uns auf unser Kerngeschäft und versuchen Bücher zu machen, die hohe Einstiegsdrogenqualität haben.

Wie sich der Peter Hammer Verlag in Sachen Leseförderung engagiert? Wir sind ein kleiner unabhängiger Verlag mit begrenzten Ressourcen und engagieren uns darum mit verschiedenen kleineren Maßnahmen. Dazu gehört z.B. unsere „Sprachförderungskiste“, die wir zusammen mit dem Moritz Verlag und Beltz & Gelberg seit vielen Jahren erfolgreich Personen und Institutionen anbieten, die sich professionell mit Sprach- und Leseförderung befassen. Buchhandlungen, Bibliotheken und Kitas können sich kostenlos eine Kiste mit 28 Bilderbüchern ausleihen, die die Lust am Lesen wecken. Es gibt einen Flyer, der alle Titel enthält, und den wir regelmäßig unseren Auslieferungen beilegen und auf Messen und Veranstaltungen verteilen.

Ansonsten konzentrieren wir uns auf unser Kerngeschäft und versuchen Bücher zu machen, die hohe Einstiegsdrogenqualität haben. 

Ich habe den Eindruck, dass viele Verlage Leseförderung immer noch als Angelegenheit der Kinder- und Jugendbuchverlage ansehen und sich nicht klar machen, dass Peter keine Romane oder Sachbücher kauft, wenn Peterchen keine Bilderbücher vorgelesen bekommt. So einfach ist das.

Wenn man bedenkt, dass es sich um eines der zentralen Zukunftsthemen der Branche handelt, engagiert sich die Buchbranche insgesamt nicht genug für den Nachwuchs. Ich habe den Eindruck, dass viele Verlage dies immer noch als Angelegenheit der Kinder- und Jugendbuchverlage ansehen und sich nicht klar machen, dass Peter keine Romane oder Sachbücher kauft, wenn Peterchen keine Bilderbücher vorgelesen bekommt. So einfach ist das. Lesen ist, wie jede Kulturtechnik, in erster Linie eine Frage von Übung und Gewohnheit – und natürlich Nachahmung (also liebe Mütter und Väter: Vorlesen!).

Von welchen Institutionen und Verbänden ich mehr erwarten würde? Ich möchte hier gerne auf die „Frankfurter Erklärung“ der Kolleg:innen der avj verweisen, die schon sehr viele zentrale Punkte zu dem Thema auf den Tisch bringt, für die ich von Bund und Ländern und der Kultusministerkonferenz mehr Gehör erwarten würde. 

Von der Stiftung Lesen würde ich erwarten, dass es mit der Aktion „Nationaler Lesepakt“ weitergeht. Vom Bildungs- und Familienministerium würde ich eine bessere Förderung für Bildungseinrichtungen und Kinder aus bildungsbenachteiligten Familien erwarten, in den Studien des Börsenvereins einen stärkeren Fokus auf die zukünftigen Leser:innen, vom Weihnachtsmann mehr Bücher unterm Tannenbaum.