Die Sonntagsfrage

Passen beim Gütesiegel Buchkita Anspruch und Wirklichkeit zusammen, Frau Eger?

8. Oktober 2023
Redaktion Börsenblatt

Auf der Frankfurter Buchmesse werden 83 Kindergärten und -tagesstätten mit dem Gütesiegel Buchkita geehrt - die Zahl ist rückläufig. Wie ist die Qualität der Bewerbungen? Und welche Kriterien müssen für das Gütesiegel erfüllt werden? Tanja Eger, Jurorin für das Gütesiegel und Filialleiterin der Buchhandlung Mäx und Moritz in Baden-Baden, hat Antworten.  

Tanja Eger

Tanja Eger

Gibt es genug Buchkitas? Wie ist die Bewerbungslage?

Mit den diesjährigen Preisträgern sind es derzeit 1712 Bewerbungen seit 2019, davon wurden 529 Kitas mit dem Gütesiegel Buchkita ausgezeichnet. Das kann sich schon sehen lassen! Aber natürlich ist es im Sinne der Leseförderung sehr wünschenswert, dass noch viele weitere dazu kommen.

Die Bewerbungslage ist nach dem fulminanten Auftakt 2019 zurück gegangen, aber das hat vor allem auch Pandemie bedingte Gründe. Im diesjährigen Durchlauf zeichnet sich bereits ab, dass auch in der Kita wieder mehr Normalität zurück kommt. Außerdem haben wir seit diesem Jahr die digitale Bewerbung eingeführt, die das Prozedere deutlich erleichtert, sodass wir zuversichtlich auf ansteigende Bewerbungszahlen sind.

Und wie schätzen Sie die Qualität der Bewerbungen ein?

Im ersten Jahrgang waren wir überwältigt, wie großartig und kreativ das Medium Buch in den Kitas ein- und umgesetzt wird. In den folgenden corona-beschatteten Jahrgängen hat diese Begeisterung leider durchaus gelitten und wir mussten feststellen, dass viele Sprachförderungsmaßnahmen den Bewerbungen zu Grunde lagen, die uns für die geforderte Literalität nicht genügen können. Allerdings haben wir auch berücksichtigt, unter welchen Umständen in den Einrichtungen gearbeitet wurde und sind ihnen in der Punktevergabe entgegen gekommen. Ab 2024 werden wir jedoch diese erreichte Punkteanzahl wieder anheben, da auch die Qualität des Gütesiegels Bestand haben muss. 

Vorlesen, Kita-Bibliothek, Elternarbeit zum Vorlesen usw. - der Kriterienkatalog für das Gütesiegel sind relativ umfangreich. Welche Maßnahmen sind die wichtigsten?

Wenn die Wichtigkeit des Themas Literacy bereits im Kita-Konzept nachzulesen ist, handelt es sich meist auch um eine Leuchtturm-Kita, die oft mühelos durch den Kriterienkatalog spaziert. Die gelebte Liebe zum Buch merkt man solchen Bewerbungen einfach an. Am allerwichtigsten ist regelmäßiges Vorlesen und dies nicht nur situationsbedingt, sondern mit konkreten Angeboten verknüpft, die sich nicht nur am Jahreslauf orientieren sollten. Durch die transparente Punktevergabe in den einzelnen Kategorien, lässt sich aber auch leicht ablesen, wo die Schwerpunkte liegen sollten.

Wie profitieren Kitas von dem Gütesiegel?

Aus den Rückmeldungen der gesiegelten Kitas wissen wir, dass Ihnen die Wertschätzung ihrer Arbeit durch das Siegel und die Sichtbarmachung nach außen besonders wichtig ist.

Das sieht man auch daran, dass auch zur diesjährigen Preisverleihung über 100 Erzieher*innen der Einladung zur FBM folgen wollen. Eltern entscheiden sich bewusst für die Buchkita; Träger, Stadtverwaltung u.a. nehmen die Einrichtung anders wahr... - es zieht also weite Kreise. Aber auch als selbstkritische Reflexion, als Ansporn und nachhaltige Literacy-Arbeit wird das Gütesiegel verstanden, was auch die hohe Zahl an Rezertifizierungs-Bewerbungen zeigt. Und nicht zu vergessen: Die Buchkita-Kita ist auch attraktiver Arbeitsplatz.

Was wünschen Sie sich vom nächsten Jahrgang?

Wir nehmen durchaus wahr, unter welch schwierigen Bedingungen Erzieher*innen derzeit arbeiten und wie vielfältig ihre Aufgaben sind. Dennoch wünschen wir uns wieder mehr qualifizierte Bewerbungen, die wirkliche Literacy-Arbeit leisten und nicht „gerade eben so“ in den auszeichnungswürdigen Punktebereich rutschen. Wie wichtig Leseförderung bereits im Kindergartenalter ist, wissen wir schließlich nicht erst seit der neuesten IGLU-Studie.

Um so dringender wird es, dass Kita-Träger und die Politik in den Bereichen Bildung und Familie diesem wichtigen Thema mehr Bedeutung zumessen.

Deswegen hat die Jury dieses kritische Statement mit Forderungen verfasst:

  1. Kitas brauchen einen festen Medienetat
  2. Fortbildungen (Literacy) als festen Bestandteil der Ausbildung
  3. Mehrsprachigkeit besser berücksichtigen
  4. Feste Vorlesezeiten etablieren
  5. Fehlende Fachliteratur aufstocken
  6. literaturbezogene Elternarbeit als Ausbildungsinhalt einführen