Die Sonntagsfrage

"Bücher sind einfach der Hammer!"

21. Mai 2023
Matthias Glatthor

Ina Stirner-Sinn wurde kürzlich in Berlin als bundesbeste Auszubildende zur Buchhändlerin 2022 geehrt. Ihre Ausbildung hat sie bei One in Rutesheim absolviert. Warum wollte sie Buchhändlerin werden? Welche Ideen konnte sie einbringen? Was ist das schöne an dem Beruf? Das haben wir sie gefragt.

Bundesbestenehrung 2022 in Berlin am 15. Mai 2023: Ina Stirner-Sinn, Azubi (links) und Swaantje Creusen, Vorsitzende des DIHK-Bildungsausschusses

Bundesbeste Auszubildende im Buchhandel – wie fühlt sich das an? Wie war die Feier in Berlin?

Immer noch etwas surreal. Mein einziges Ziel war, die Ausbildung gut abzuschließen. Dass ich bis nach Berlin kommen würde, damit hatte ich wirklich nicht gerechnet. Die Feier selbst war gigantisch. All die coolen Menschen und deren Berufe, verpackt mit dem Moderator und den Reden, waren überwältigend.

Warum haben Sie sich für eine Ausbildung zur Buchhändlerin entschieden?

Nach meinem Abitur habe ich mich direkt für die Ausbildung entschieden. In der zehnten Klasse wurde mir durch einen simplen Fragebogen im Gemeinschaftsunterricht (Im Sinne von: Welcher Beruf passt zu mir?) das erste Mal bewusst, dass ich Bücher und das Lesen zu meinem Beruf machen kann. Durch meine Eltern, die eine Metzgerei betreiben, war mir schon früh bewusst, dass ich auch den Verkauf mag – und beides lässt sich am besten in einer Buchhandlung kombinieren. Dort hab ich mich ohnehin schon immer am liebsten aufgehalten, also war die Entscheidung ganz leicht.

Wie sind Sie und die Buchhandlung one.rutesheim zusammengekommen?

Der Laden in Rutesheim ist das Hauptgeschäft, in Gerlingen gibt es eine Filiale dazu. Dort war ich schon viele Jahre selbst Kundin und mir haben die Auswahl der Bücher, die Buchhändlerinnen und die gesamte Atmosphäre gut gefallen. Ich wollte eher zu einem kleinen Betrieb und auch nicht arg weit weg von meiner Heimatstadt. Ich habe mich damals mit einer Initiativbewerbung per Mail beworben. Nach einem ersten Kennenlernen-Gespräch in Rutesheim war die Sache dann ganz schnell entschieden!

Wie lief die Ausbildung ab – wer hat Sie betreut?

Das ganze Team hat sich um mich gekümmert. Mit jeder gemeinsamen Schicht habe ich etwas über die Warengruppen der Buchhändlerinnen gelernt, über den Laden, die internen Vorgänge und über den Umgang mit Kunden. Im Speziellen hat meine Chefin sich um die Strukturen der Ausbildung gekümmert (Berichtsheft, Arbeitspläne, Hilfe bei Urlaubstagen und wie man die genau berechnet, etc.); mein Chef wiederum hat mir das Knowhow über PC-Tricks, Zahlen hinter dem Ladengeschehen und Organisation (im Sinne von: Wie durchdenke ich Projekte richtig, wie beachtet man alles, etc.) gezeigt und allem voran das Wichtigste im Laden: die Kaffeemaschine.

... welche Inhalte haben Ihnen besonders gefallen?

Am Beruf gefällt mir am besten zum einen den Kontakt mit den Kundinnen und Kunden – egal ob als Beratung im Laden oder das gemeinsame Recherchieren. Man kommt ins Gespräch, hört zu, lernt und wenn man letztendlich das passende Buch findet, geht alles auf. Zum anderen liebe ich es auch, morgens beim Wareneingang Novitäten auszupacken und so sich Kiste für Kiste voran zuarbeiten – so sieht man, was man am Tag erledigt hat.

In der Ausbildung hat mir gefallen, wie ich Stück für Stück mehr gelernt habe und immer mehr die Tiefe eines Ladens erfassen konnte. Dazu hat auch Frau Busch, meine Buchhandels-Lehrerin in der Cotta Schule, stark beigetragen. Ich mochte die Mischung aus Schule und Arbeit. Ich hatte eine super sympathische Klasse, die mich Woche um Woche motiviert hat, Montagfrüh (und zwar viel zu früh) nach Stuttgart zu fahren und gemeinsam haben wir Homeschooling und die Prüfungen überlebt. Es hat mir geholfen, mich mit Gleichaltrigen zu treffen, die dasselbe arbeiten wie ich. Wir konnten Erfahrungen austauschen und viel zusammen lachen.

Und dienstags gings dann mit neuer Energie ins Geschäft. Das hat den Einstieg ins Arbeitsleben erleichtert. So konnte ich das neugelernte miteinbringen und besonders stolz war ich, als dann Momente kamen, wo ich meinen Kolleginnen etwas Neues beibringen konnte, was uns die Arbeit erleichtert hat. Meine Kolleginnen haben mich immer angehört und so ernst genommen zu werden und sich einzubringen, tat unheimlich gut.

Haben Sie Beispiele, wo Sie Ihre Ideen einbringen konnten?

Mir fallen direkt viele Beispiele ein. Öfters durfte ich Tische dekorieren, ich habe alleine oder in Kombination mit meinem Chef Lesezeichen entworfen (ob auf Eigeninitiative oder auf Motiv-Wunsch), bei Vorschauen wurde ich häufig nach meiner Meinung gefragt – besonders wenn es um das "neue" Genre New Adult oder um Fantasy ging.

Zu Weihnachten habe ich unseren Hauskatalog one.punkt mitgestaltet und ganzjährig bin ich für die Webshop-Pflege mitverantwortlich – das heißt im Konkreten, ich ändere wöchentlich die Tipps auf der Startseite passend zu neuen Themen oder stelle Novitäten auf die Bücherlisten. Und und und…

Welchen Anteil hat das Buchhandlungsteam an Ihrem tollen Abschluss?

Sie haben mir einfach viel Energie mitgegeben, sodass ich jede Woche immer wieder gerne in den Laden kam. Mit jedem Tag und jedem Gespräch haben sie mir alle gezeigt, dass es auch mal schlechte Tage gibt, dass man darüber aber später lachen kann (bspw. wenn ein besonders charmanter Kunde in den Laden kam). Und als es auf die Prüfungen zuging, haben sie mir alle so eine Gewissheit entgegengebracht, die meine Nerven beruhigt und mich gestärkt hat. Sie haben mir viel beigebracht, mich dabei meinen eigenen Weg gehen gelassen und waren … einfach da!

Waren Sie die einzige Auszubildende bei One?

Oh nein, das war ich nicht. In meinem zweiten und somit Abschlussjahr waren wir drei Azubis. Ich bin als zweite Auszubildene dazugekommen. Larissa (Azubi eins) hatte mir den Einstieg unheimlich erleichtert und durch Nina (Azubi drei) konnte ich vieles Gelerntes wiederholen und weitergeben. Wie das in einer Buchhandlung so sein muss, haben wir uns unheimlich viel über Bücher unterhalten und so konnten wir den Laden und viele Autoren besser kennenlernen und uns immer gegenseitig helfen.

Was macht die Arbeit in einer Buchhandlung so schön?

Ich kann mich nicht entscheiden zwischen "Büchern" oder "Begegnungen mit Menschen". Ich glaube nicht, dass ich den ersten Punkt weiterausführen muss… Bücher sind einfach der Hammer! Es gibt keinerlei Einschränkungen, die Geschichte kann in unserer Zeit spielen oder in der Vergangenheit, sie kann in unserer Welt spielen oder in anderen, sie kann realistisch oder fantastisch sein, hoffnungsvoll oder niederschmetternd, Wahrheiten und Fakten in sich tragen und so vieles beibringen, man kann die Zeit und all die Sorgen vergessen oder sich selbst besser kennenlernen.

Und wenn man sich mit anderen Menschen über die gemeinsame Leidenschaft unterhält, macht es einfach Klick. Seien es Kollegen oder Kunden. Man hört so viele Geschichten und liest sogar noch mehr. Man lacht, man teilt und hofft, mit dem Buch auch ein besseres Gefühl mit auf den Weg gegeben zu haben.

Was lesen Sie selbst gerade?

Diese Frage kann man einer Buchhändlerin nicht stellen und dann eine kurze Antwort erwarten!! Gerade erst habe ich "Fire Fallen" von  Elise Kova beendet (Chroniken von Solaris, Band 2; ganz schrecklicher Cliffhänger). Jetzt lese ich parallel – je nach Stimmung – "The last piece of his heart" von Emma Scott (eine meiner Lieblingsautorinnen, die mich mit ihren Büchern öfters zum Weinen bringt – auf die gute Art, natürlich!) und "Vom Ende der Einsamkeit" von Benedict Wells. Nach dem mir "Hard Land" am Anfang meiner Ausbildung so gut gefallen hat und so viele Kunden davon geschwärmt haben, wage ich es nun endlich. Die alte Leier: zu viele gute Bücher, zu wenig Zeit. Und als Hörbuch höre ich Band 5 von "Land of Stories" von Chris Colfer. Seit meinem offiziellen Einstieg in die Buchwelt hat sich mein Lesegeschmack sehr erweitert.

Ihr Tipp: Welche Eigenschaften sollten angehende Buchhändler:innen mitbringen?

Leidenschaft und Interesse für Bücher. Besonders bei Beratungen fällt es auf, wenn man mit dem Herz dabei ist. Wissen und Selbstsicherheit kriegt man mit jedem weiteren Tag in einer Buchhandlung, aber was man braucht ist eine Motivation.

... und was sollte man bei der Wahl des Ausbildungsplatzes beachten?

Die Atmosphäre. Wie wirkt der Laden und auch mögliche zukünftige Kolleginnen und Kollegen? Passt das Sortiment zu einem? Fühlt man sich wohl? Am Ausbildungsplatz verbringt man einen Großteil der Woche und da es im Einzelhandel dazugehört, muss man auch mal samstags antanzen, dementsprechend sollte man darauf achten, dass man es gerne macht! Einem sollte der Laden, die Menschen im Laden und auch die Bücher gefallen!

Wie sehen Ihre nächsten beruflichen Pläne aus? Wo wollen Sie in zehn Jahren sein?

Zehn Jahre sind eine lange lange Zeit. Nach der Ausbildung habe ich mich bewusst gegen den Fachwirt entschieden, da ich meine Heimatgegend nicht verlassen möchte und eine weitere großartige Buchhandlung braucht es am Ort nicht. Trotzdem möchte ich mich weiterbilden und "nicht einrosten". Ich wurde übernommen und arbeite weiterhin ganztags als Buchhändlerin (& Barista) bei One. Mit Unterstützung eines Stipendiums der IHK ist es mir möglich, im Oktober eine Fortbildung zur Bilanzbuchhalterin anzufangen. Mit Abendlehrkursen werde ich für die nächsten Prüfungen vorbereitet. Diese finden 2025 statt. Diese Zeit sind meine Chefs mich mit Sicherheit noch nicht los! Die Fortbildung mache ich mit dem Hintergrund, meiner Familie und deren Betrieb (den meine Schwester fortführen wird) zu helfen und zu unterstützen. Eins ist aber sicher, die Buchwelt werde ich niemals aufgeben – die brauche ich für meine Seele. Wie mein Leben in zehn Jahren aussehen wird, weiß ich selbst noch nicht ganz genau, aber Bücher wird es darin zu genüge geben.

Ina Stirner-Sinn ist 21 Jahre alt, wurde in Stuttgart geboren und ist in Gerlingen aufgewachsen. Dort hat sie 2020 ihr Abitur gemacht und direkt im Anschluss begann die Ausbildung zur Buchhändlerin. 

Infos zur Buchhandlung One finden sich auf deren Website: hier

Die nationale Bestenehrung wird von der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) durchgeführt.

Ina Stirner-Sinn hat zudem wie vier weitere junge Menschen aus der Region Stuttgart einen Stern für ihre herausragende Leistung auf dem Walk of Fame der Industrie- und Handelskammer (IHK) Region Stuttgart erhalten. Die bundesbesten Ausbildungsabsolventen 2022 aus der Region werden mit dem Stern vor dem Stuttgarter IHK-Haus in der Jägerstraße 30 geehrt. Beschriftet sind die Sterne mit dem Namen der Absolventin oder des Absolventen, dem dazugehörigen Ausbildungsbetrieb und dem Abschlussjahr.

Ina Stirner-Sinn beim Walk-of-Fame vor der IHK Stuttgart