Die Sonntagsfrage

Bisher keine Nachfolge für Lillemors – gibt es noch Hoffnung?   

4. Juni 2023
Redaktion Börsenblatt

1975 haben sechs Frauen die feministische Buchhandlung Lillemors in München gegründet, den ersten Frauenbuchladen Deutschlands. Nach 48 Jahren ist jetzt wohl Schluss. Woran die Suche nach Nachfolgerinnen trotz guter Bedingungen gescheitert ist und ob es vielleicht doch noch Hoffnung für Lillemors gibt, beantwortet Andrea Gollbach, die seit 1982 dabei ist, in der Sonntagsfrage. 

Andrea Gollbach, Lillemors Frauenbuchladen in München

Andrea Gollbach, Lillemors Frauenbuchladen in München

Lillemors Frauenbuchladen war der erste deutsche Frauenbuchladen - - und er ist heute genauso wichtig wie damals. Die Lage für Frauen hat sich in manchen Bereichen (Bildungschancen) etwas verbessert, aber wie MeToo gezeigt hat, ist beim Thema sexualisierte Gewalt gegen Frauen alles beim Alten geblieben. Die entsprechende Literatur zu feministischen Themen gibt es in dieser Auswahl hier in München nur bei uns.

Die Nachfolgerinnen müssten nur den Schlüssel umdrehen. 

Moderate Miete, zeitlose Einrichtung, Stammkundschaft - die Vorzüge von Lillemors

Die Miete ist für Münchner Verhältnisse sehr moderat und der Frauenbuchladen ist im Viertel sehr beliebt. Wir sind nicht nur Fachbuchhandlung, sondern auch Stadtteilbuchhandlung für die Maxvorstadt. Das Ladengeschäft ist freundlich und zeitlos eingerichtet und die Nachfolgerinnen müssten nur den Schlüssel umdrehen um sofort starten zu können. Wir haben die Münchner Städtischen Bibliotheken und die Fachhochschule in Pasing als feste Kund:innen und sind regelmäßig zu Büchertischen im Literaturhaus eingeladen. 

Eine Frage der Finanzierung

Es gab etwa zehn Bewerbungen für den Buchladen. Das Alter der Bewerberinnen differierte stark, von Mitte 20 bis Anfang 60. Alle  wollten den Schwerpunkt Feminismus beibehalten - und das Sortiment eventuell um zum Beispiel Ökologie oder linke Politik erweitern. Letztendlich war es, wie immer, eine Frage des Geldes (bzw. der Finanzierung) und der Risikobereitschaft. Der Preis für den Laden war wahrlich nicht hoch. Wir wissen doch alle, dass Buchhandel in der heutigen Zeit kein leichtes Geschäft ist.

Das konzentrierte Angebot von feministischer Fachliteratur auf der einen Seite und ausgewählter Belletristik von Frauen auf der anderen Seite ist ein Grund, warum es uns solange gab.

Unser Angebot ist für alle da, nicht nur für Frauen - soviel nur zur Klarstellung. Fest steht: Das konzentrierte Angebot von feministischer Fachliteratur auf der einen Seite und ausgewählter Belletristik von Frauen auf der anderen Seite ist ein Grund, warum es uns solange gab. 

Ein Frauenbuchladen wird nie überflüssig sein. Solange das Patriarchat besteht, muss es Frauenorte und Frauenbuchläden geben. In den letzten Jahren waren viele junge Frauen und auch ein paar Männer bei uns im Laden und haben Fragen zum Feminismus gestern und heute gestellt. Dieses Interesse freut uns natürlich riesig, umso trauriger, dass dieser wertvolle Ort, um Geschichte hautnah zu erleben, nun leider wegfällt. Die Schließung von Lillemors Frauenbuchladen fügt nun der Feministischen Geschichte Münchens ein weiteres Kapitel zu.

Dazu kommt, dass wir Künstlerinnen von Anbeginn des Buchladens die Möglichkeit gegeben haben, ihre Kunst zu zeigen, und den jungen Autorinnen, ihre Werke vorzustellen. Auch das ist leider noch nicht überflüssig geworden. Der etablierte Kunst- und Literaturmarkt stellt Frauen noch immer gerne in die zweite Reihe.

Schwerpunkt feministisches Sachbuch - plus Bilderbuch und Futter für Erstleser:innen

Unser Sortiment ist nach wie vor stringent an Autorinnen ausgerichtet. Im Lauf der Jahre hat sich jedoch unser Angebot an diversen Bilderbüchern (zum Glück gibt es jetzt Verlage wie Zuckersüß) und Lesefutter für Erstleser:innen erweitert. Gerade bei den kleinen unabhängigen Verlagen hat sich zum Thema Frauenrechte / Frauenforschung viel getan worüber wir sehr froh sind. Der Bereich Psychologie ist bei den frauenspezifischen Themen leider immer mehr in den Lebenshilfe/Ratgeberbereich abgerutscht und damit für uns nicht interessant. Der Schwerpunkt ist nach wie vor beim feministischen Sachbuch. Das ist unsere große Kompetenz.

Alles muss raus, am 30. Juni ist Schluss

Am 30. Juni endet der ordentliche Ladenbetrieb. In der letzten Juniwoche haben wir eine Abschiedswoche zum Lebewohlsagen - und um den Frauenbuchladen noch einmal im vollen Glanz zu zeigen. Im Juli kommt dann der Ausverkauf: Alles muss raus. Auch Teile des Mobiliars, wie zum Beispiel wunderbare Bücheraussteller, Rollbar, feinste Arbeit aus der Schreinerei. Also wer Interesse hat, bitte gern melden! Hoffnung gibt es immer. Es wäre sehr schön, wenn sich noch Frauen finden würden, die diese besondere Buchhandlung übernehmen würden. Sie könnten sofort anfangen, es ist noch Ware samt Einrichtung vorhanden. Ein Kundenstamm ist ebenfalls vorhanden und die Möglichkeit einer Erweiterung und Änderung des Sortiments ist gegeben.

Es wäre sehr schön, wenn sich noch Frauen finden würden, die diese besondere Buchhandlung übernehmen würden. Sie könnten sofort anfangen, es ist noch Ware samt Einrichtung vorhanden.

Was wir nicht vermissen werden? Den ständigen Blick auf das Bankkonto!

Wir werden natürlich all unsere lieben Kundinnen und Kunden vermissen, die spannenden Gespräche, auch die Kontroversen, die Möglichkeit, unsere politische Idee weiter zu tragen, die Neuerscheinungen der Verlage und das Glück, dabei auf neue, unverbrauchte literarische Talente zu stoßen, das Interesse der Menschen, die einfach vorbeischauen – die Lebendigkeit. Was wir nicht vermissen werden? Den ständigen Blick auf das Bankkonto!