Die Sonntagsfrage

"Anstich" mit Axel Dielmann – wie läuft das ab?

28. Mai 2023
Redaktion Börsenblatt

Die 16er-Reihe ist die kleinste Buchreihe im Frankfurter Axel Dielmann Verlag. Alle Bändchen sind von Hand fadengeheftet, in Schulheft- oder Fadenstichheftung. Wie das funktioniert, zeigt der Verleger Axel Dielmann Interessierten gern bei Veranstaltungen in Buchhandlungen. Wie solche Abende ablaufen, was er dabei schon alles erlebt hat und für welche Buchhandlung sich das Veranstaltungsformat eignet, erzählt Dielmann in der Sonntagsfrage. 

Axel Dielmann

Axel Dielmann 

16 Seiten hat der klassische Offset-Druckbogen, aus ihm kann man, in einen Umschlag-Karton gesteckt, das kleinstmögliche Buch binden. Zwei oder drei solcher »Lagen« ineinander gesteckt, ergeben Bändchen mit 32 oder 48 Seiten – voilá, meine 16er-Reihe.

Sobald ein Bändchen der 16er-Reihe erscheint – es sind über 70 unter meinen insgesamt 400 Titeln –, ziehe ich mit "Werkzeug" (Ahle, bunte Blechkiste mit Garnrollen, Schere) und Rohmaterialien (genutete Umschläge, die vorbereiteten Lagen) aus und stichle händisch die ersten Exemplare vor Publikum.

Die Hälse recken sich, wenn die drei Rückenstiche per Ahle durch Papier und Karton knistern – die Reihenfolge beachten! Immer entfernt von der Rolle arbeiten!

Kein Ort wäre dafür besser geeignet, als eine Buchhandlung und ihre Stammkundschaft! Schon mit dem Auslegen einiger der vielfarbigen Bändchen mit Lyrik, Essays, Prosa und das Bereitlegen der Utensilien hat man sein Publikum gepackt, nun kann eine kleine Technikgeschichte und Anatomie des schönen Buches abrollen. An deren Ende die Anwesenden verstehen, wie aus einigen mitgebrachten Halbzeugen (Rohbögen, Buchblöcke, Einbanddecken) auch "echte", dicke Bücher entstehen: Die Hälse recken sich, wenn die drei Rückenstiche per Ahle durch Papier und Karton knistern – die Reihenfolge beachten! Immer entfernt von der Rolle arbeiten! – Und die Begehrlichkeit wächst, das selbst zu versuchen, wenn dieser verflixte Knoten am Ende unbedingt doppelt zu schlagen ist – die Spannung halten! Soviele Finger hab’ ich ja gar nicht!

Buchhandwerk mit Anekdoten garniert

Schon sitzen zwei, drei Gäste neben mir und versuchen es. Die anderen vergnügen sich daran, ob die artistischen Verrenkungen glücken. Rasch nun das Handwerk mit Anekdoten garnieren.

Beispielsweise von jenem etwas großmäuligen Hilfsanstecher, der meinte, das 16er-Stechen müsse er nicht lang erklärt bekommen, er sei ja nicht blöd – und sich glatt den Daumen ins erstbeste Heftchen nähte. Freilich, auch weniger blutrünstige, schlicht unterhaltsame Geschichten gibt es aus 30 Jahren Verlagsleben. Wie ein verschollener Paul Gauguin-Text zum 16er wurde, eine ungedruckte Gertrude Stein dazukam, das letzte Interview Fellinis.

Dazwischen Häppchen aus dieser editorischen Spielwiese vorlesen, aus Kleists "Allmähliger Verfertigung der Gedanken …", aus Klassikern der Moderne wie César Valléjo oder Ritsos, aus Nachwuchs-AutorInnen wie Dirk Hülstrunk und Esther Mohnweg und Ana Martins Marques aus Brasilien – so jüngst in Frankfurt-Sachsenhausen, womit Steffi Koch ihre erste Veranstaltung nach der Übernahme des Lesecafés beging; am 2. Juni reiht sich die Steinmetz’sche Buchhandlung damit ins Stadtfest Offenbach ein; und bei dem immer rührigen Herrn Böttger in Bonn, der Kronberger Bücherstube und im Kapitel 43 Rüsselsheim stehen Näh-Übungen an.

Und allein die pralle "BOX – Die wilden Slowenen" mit stattlichen 16 Bändchen, welche ich mit dem diesjährigen Guest of Honour der Frankfurter Buchmesse Slowenien vorbereite, rufen nach vielen Metern Anstich-Garn.

Interesse an der Aktion?

Axel Dielmann, Verleger im axel dielmann – verlag und der Frankfurt Academic Press, ist Mitglied im PEN Zentrum Darmstadt und wurde gerade mit dem Ehrenpreis der Stadt Mainz zum V.O. Stomps-Preis 2023 ausgezeichnet.

Buchhandlungen, die sich für die "Anstich"-Aktion interessieren, können sich unter neugier@dielmann-verlag.de melden!