Die Sonntagsfrage

10 Jahre Nero39 – Ihr Erfolgsrezept bitte, Herr Deyer?

7. April 2024
Redaktion Börsenblatt

10 Jahre schon – am 1. April 2014 hat in der kleinen, lebendigen Nerostraße in Wiesbaden die Buchhandlung Buch-Café Nero39 eröffnet. „Mut und Starrsinn“ seien für das Projekt notwendig gewesen, sagt Mitinhaber Christopher Deyer, „Buchhandels-atypische Wege“ zu gehen, gehöre ebenfalls zum Erfolgsrezept. Über seine Wünsche an die Verlage und den Branchenverband, seine Kund:innen und die Zukunft von Nero39 lesen Sie in der Sonntagsfrage.

Christopher Deyer

Christopher Deyer

Was war die Idee bei der Eröffnung von Nero39 und sind Sie ihr treu geblieben?

Wir wollten das Schöne, Anregende aus diversen Buchhandelsbesuchen mit dem kombinieren, was wir dabei vermisst haben. Die Idee war und ist, etwas auszuprobieren und andere Wege zu gehen.

Welche Anpassungen im Geschäftskonzept haben Sie vorgenommen?

Das Spielen mit Erwartungshaltungen und stetigem Wandel macht mir bis heute Freude.

Was haben Sie sich anders vorgestellt? Was ist schlimmer gekommen als gedacht?

Ich hätte nicht gedacht, wie viele Kunden über mehr als nur Bücher reden wollen. So ähnlich stelle ich mir den Alltag eines Gemeindepfarrers vor. Dafür lachen wir auch sehr oft zusammen mit Kunden.

Und welche Befürchtung hat sich nicht bewahrheitet?

Wie die Österreicher so schön sagen: Das es sich nicht ausgeht.

Wie ist die Kundenstruktur in der Nerostraße? Laufkundschaft oder eher Stammkunden? Rechnungsgeschäft?

Es gibt stammkundige Laufkundschaft und laufende Stammkunden. Außerdem ist die Welt doch recht klein: Eine Touristin aus Südkorea hatte ein englisches Memoir über eine in den USA aufgewachsene Koreanerin gekauft und wieder zu Hause verwundert darüber auf Instagram berichtet.

„Buchhandels-atypische Wege“ – was meinen Sie damit?

Es gibt klare Vorstellungen davon, wie eine Buchhandlung auszusehen hat, welche Bücher jeder auf Lager haben muss, wie die Bücher sortiert sein müssen, u.v.w.m. Wir weichen bewusst davon ab. Die Einen halten unser Sortiment für chaotisch bis erratisch, die Anderen entdecken tiefgehende Verbindungen.

BookTok, Romance, Farbschnitt – wie geht Nero39 mit den wechselnden Trends um?

Wir wünschen uns den Motiv-Farbschnitt in allen Sortimentsbereichen. Ein schönes Buch ist immer eine Würdigung für Autor und Leser. 

Der große Trend geht wieder weg vom Algorithmus “Kunden, die dieses Buch kauften...” hin zu Personen, denen die Leserschaft vertraut - ob nun im Video, Podcast oder der Buchhändler vor Ort.

Bücherpreise, Unterstützung bei Veranstaltungen, mehr Gestaltungsexperimente: Was wünschen Sie sich von den Verlagen?

Eine Abschaffung der Bestseller-Aufkleber! Das morgendliche Abknibbeln von frisch gelieferter Buchware mag zwar etwas Meditatives haben, aber im Endeffekt ist es einfach nur Arbeit und Müll. Und sie sind hässlich.

Wenn ein Fußballer den Durchbruch zu einem großen Verein schafft, erhält der Jugend-Club eine Ausbildungsablöse. Eine solche Würdigung wünsche ich mir beim Wechsel der Autoren von „kleinen“ zu „großen“ Verlagen.

Und von Ihrem Branchenverband?

Macht allen Menschen klar, dass die Buchpreisbindung existiert, dass sie allen nützt und warum der Buchkauf vor Ort ökologisch, ökonomisch und sozial sinnvoller ist!

Eine Integration des VLB in Online-Shops nutzt meines Wissens nach kaum jemand. Alles außerhalb der Barsortimente wird somit digital nicht abgebildet. Leider sehe ich hier keine kreative Fortentwicklung.

Wie sehen Ihre Pläne für die nächsten 10 Jahre aus?

Von zehn möglichen Zukunftsentwürfen wird es wohl auch in den kommenden zehn Jahren die elfte Variante werden. Flexibel bleiben und sich an den kleinen Dingen und schönen Büchern erfreuen.

Zum Schluss die Frage vom Anfang: 10 Jahre Nero39 – verraten Sie uns Ihr Überlebensrezept?

Irgendetwas zwischen surrealistischem Optimismus, Starrsinn und Freude am Beruf wird’s schon sein.

Fragen: Sabine van Endert