Über die Preisvergabe an Thomas Willmann beschloss der Kulturausschuss auf Empfehlung einer Jury am 12. Oktober, teilte die Stadt München mit. Der mit 8.000 Euro dotierte Tukan-Preis zeichnet jährlich eine sprachlich, formal und inhaltlich herausragende literarische Neuerscheinung aus. In die Auswahl kommen alle belletristischen Veröffentlichungen von Münchner Autorinnen und Autoren. Zur Diskussion standen in diesem Jahr insgesamt 51 Bücher.
Die Begründung der Jury: "Um einem so gewaltigen Epos wie 'Der eiserne Marquis' in wenigen Sätzen gerecht zu werden, müsste man fast schon ein ähnlich furioser Schöpfer sein wie der faszinierende wie abgründige Ich-Erzähler dieser Geschichte. Erst mit dem Handwerkszeug des genialen Uhrmachers, seiner Leidenschaft für die Welt der Mechanik, dann über immer dunklere Pakte, Triebe und mit neuer Identität verfolgt er den größten aller Menschheitsträume, die Überwindung der eigenen Endlichkeit. Das kann nur ins Verhängnis führen. So legt er auch vor den Ratten eines Irrenhauses seine Lebensbeichte ab: von einer verlorenen Liebe in Wien bis zur Begegnung mit jenem ominösen Marquis, mit dem er in Paris sein Schicksal herauszufordern begann. Eine lange abschüssige Bahn durch Wunder und Schrecken eines Jahrhunderts – und welch ein Leserausch, dem Ringen und Rasen darauf zu folgen. Für solche Bücher wurde die Literatur einmal erfunden."
Das fast tausendseitige Werk sei nicht einfach nur ein Roman, fährt die Jury fort: "Es ist ein Monolith, ein buchstäbliches Lebenswerk über die menschliche Sehnsucht und ihre düstere Kehrseite, die Besessenheit. Allen Marktkonventionen zum Trotz wagt Thomas Willmann etwas geradezu Unerhörtes: die gesamte Geistesgeschichte der Aufklärung mit literarischen Mitteln in eine flimmernde Schwebe zu heben und aufs Schönste lesbar zu machen. Kein historischer Staub liegt hier auf den Zeilen; jede Seite scheint vielmehr zu brennen – für die Sprache, für die Vorstellungskraft. Voller spielerischer kultureller und literarischer Bezüge, vom Sandmann bis zur Blechtrommel, verhandelt Willmann auch höchst gegenwärtige Themen wie die Folgen von Globalisierung oder KI. All das in einer kostbar gestalteten Kunstsprache, die sich der Vergangenheit einerseits anverwandelt, andererseits einen eigenen literarischen Kosmos aufspannt und gigantische Stadt- oder Kriegsszenarien wie lebendige Tableaus vor Augen führt. Ein Roman, der, wie es seinem Stoff entspricht, aufs Ganze geht, ohne Rücksicht auf Verluste, um, wenn schon nicht seine Figuren am Ende, so doch die Leser*innen reich zu belohnen – von Anfang an."