Buchpreisträger im Gespräch

Tonio Schachinger: „Ohne Deutschland könnte ich nicht vom Schreiben leben“

19. Oktober 2023
Charline Vorherr

Auf der ARD-Bühne am Messemittwoch hatte der diesjährige Buchpreisträger Tonio Schachinger seinen ersten Auftritt auf dem Messegelände. Dabei ging es nicht nur um die großen Themen seines prämierten Romans „Echtzeitalter“, sondern auch um Österreich, Sebastian Kurz und die Reaktionen auf seinen Roman von ehemaligen Schülern des Theresianums.

Tonio Schachinger auf ARD-Buchmessebühne (zum Video).

Am Montagabend wurde Tonio Schachinger für „Echtzeitalter“ (Rowohlt) mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet. Der erste Auftritt auf der Messe selbst gebührt traditionell der ARD-Buchmessenbühne. Am Vorabend eröffnete Schachinger bereits "Open Books", das Lesefestival in der Stadt.

Moderatorin Cécile Schortmann führte gemeinsam mit Schachinger durch die großen Themen und Figuren des Romans. Eine kurze Zusammenfassung des Romans und kurze vorgelesene Passagen gaben kleine Einblicke. Tonio Schachinger beschreibt den Verlag des Buches so: "Am Ende lernt Till, was er für ein Mensch sein wird und wer er sein will."

Die Buchpreis-Jury lobte „Echtzeitalter“ in ihrer Begründung als Gesellschaftsroman. Doch als Gesellschaftssatire will Schachinger seinen Roman nicht verstanden wissen. All die Szenen, die als solche wahrgenommen werden könnten, würden in Wien auch genau so passieren, auch wenn sie nicht dem Stereotyp der Stadt entsprechen. Die Wiener Gesellschaft sei sehr viel homogener als sie häufig, verknappt dargestellt werde, findet Schachinger.

Ein wichtiger Spielort seines Romans ist das renommierte Wiener Internat Theresianum, im Buch als „Marianum“ bezeichnet, auf das der Autor selbst auch zur Schule ging. Die Reaktionen von ehemaligen Schülern auf seinen Roman bezeichnet er als durchweg positiv. „Allerdings ist der Verlag auch so nett, zu filtern“, merkt er an. Insbesondere von jüngeren, etwa 18-25-Jährigen bekäme er viele Zuschriften. „Für sie hat das Buch auch etwas Identifikatorisches.“ Nachrichten älterer Leser:innen, deren Enkel auf die Schule gehen, seien auch dabei.

Der Roman käme durch den Spielort Theresianum mit einer harten Kernzielgruppe: ehemalige Schüler:innen, Lehrer:innen oder Angehörige jener. Was die Verkaufszahlen und Aufmerksamkeit beträfe „vielleicht nicht ganz so wichtig wie der Buchpreis, aber nicht wenig relevant in einer Stadt wie Wien.“ Eben jene Kernzielgruppe sei so eitel, dass sie alles wissen wolle, was es über sie geschrieben werde. Hier zieht Schachinger eine Parallele zum Roman: Feli, Tills Love-Interest, schreibt auch in ihrem Literaturmagazin über ihre Schule.

Eingebettet ist sein Roman auch in das Zeitgeschehen – beispielsweise findet die Ibiza-Affäre des ehemaligen Österreichischen Bundeskanzlers Sebastian Kurz Erwähnung. „Ich bin ehrlich froh, dass Kurz nicht mehr Kanzler ist und wir ihn weniger reden hören und sehen müssen“, kommentiert Schachinger.

Angesprochen auf das Mischverhältnis als österreichischer Autor auf dem deutschen Buchmarkt und seinem Umgang damit antwortet er: „Ich bin froh, dass es Deutschland gibt, sonst könnte ich nicht vom Schreiben lesen.“ 

Tonio Schachinger im Gespräch mit dem Börsenblatt

Am Freitag wird Tonio Schachinger mit Rowohlt-Verlegerin Nicola Bartels und Börsenblatt-Redakteur Michael Roesler-Graichen über "Echtzeitalter" sprechen. 

Veranstaltungsort: Leseinsel der unabhängigen Verlage (3.1 C105, 20.10.2023, 14-14:30 Uhr)

Börsenblatt-Gespräch mit Tonio Schachinger