Aufgeregte Stimmung im Kaisersaal des Frankfurter Römers: Welcher Roman wird es werden? Katharina Teutsch, Jurymitglied und Literaturkritikerin für "FAZ", "Zeit" und Deutschlandfunk, ging im Gespräch auf die einzelnen Shortlist-Romane, Tendenzen und die Arbeit der Jury ein, dann wurden die Shortlist-Titel noch einmal vorgestellt. und dann, in die Stille hinein, verkündete Börsenvereinsvorsteherin Karin Schmidt-Friderichs: "Der Deutsche Buchpreis 2023 geht an "Echtzeitalter" von Tonio Schachinger!"
Auf den ersten Blick sei das Buch ein Schulroman. "Auf den zweiten viel mehr als das: ein Gesellschaftsroman, der das Aufwachsen seines Helden Till an einer Wiener Eliteeinrichtung beschreibt, an der die künftigen Leistungsträger:innen mit reaktionärem Drill und bildungsbürgerlichen Idealen aufs Leben vorbereitet werden", so Schmidt-Friderichs. "Aus dieser repressiven Umgebung, verkörpert durch den mephistophelischen Lehrer Dolinar, flüchtet sich Till in die Welt des Gaming. Mit feinsinniger Ironie spiegelt Schachinger die politischen und sozialen Verhältnisse der Gegenwart: Aus gebildeten Zöglingen spricht die rohe Gewalt. Die Welt der Computerspiele bietet einen Ort der Fantasie und Freiheit. Auf erzählerisch herausragende und zeitgemäße Weise verhandelt der Text die Frage nach dem gesellschaftlichen Ort der Literatur."
Unüberhörbare Freudenschreie bei der Rowohlt-Crew, bevor Tonio Schachinger nach vorn ging. Er bedankte sich bei seiner Frau Margit Mössmer, "von der ich alles gelernt hab, was ich weiß im Leben, und deren heuer erschienen Roman ich Ihnen auch ans Herz lege", bei seiner Lektorin Katja Sämann, seiner Agentin Karin Graf, dem Rowohlt Verlag. "Es ist unerträglich zu sehen, was passiert auf dieser Welt", fügte er an, "es ist schwer, dass immer nur die sprechen sollen, die davon direkt betroffen sind – und ich selbst habe nichts dazu beizutragen außer zu hoffen", sagte Schachinger. Während die anderen schon in den feier-Modus wechselten, wurde der Gewinner im Anschluss sofort von Journalisten umlagert und ium kurze Interviews gebeten – eine Situation, die ihn in den kommenden Tagen auf der Frankfurter Buchmesse weiter begleiten wird.