Den renommierten und mit 10.000 Euro dotierten 1. Preis für kritischen Journalismus der Otto Brenner Stiftung erhält in diesem Jahr Ronen Steinke von der Süddeutschen Zeitung (SZ) für sein Buch "Vor dem Gesetz sind nicht alle gleich", erschienen im Berlin Verlag (Januar 2022). Das teilte die Stiftung mit.
Strafverfahren in Millionenhöhe gegen Wirtschaftsbosse würden zu eher milden Geldstrafen führen, Prozesse wegen wiederholten Fahrens ohne Fahrschein hingegen würden streng geahndet und endeten teilweise sogar im Gefängnis. Das Versprechen, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind, werde nicht erfüllt: Die einen kämen mit nachsichtigen Strafen davon, andere bekämen die volle Härte des Gesetzes zu spüren. Ronen Steinke zeige in seiner akribischen Analyse nach Einschätzung der Jury "eindringlich, wie es zu ungerechten Behandlungen von Beschuldigten in Prozessen kommt". Der Autor interviewe Expert:innen, beobachte Gerichtsprozesse, werte statistische Daten aus und belege mit Beispielen die differenzierte Analyse komplexer Zusammenhänge. Der promovierte Jurist seziere die Gesetzeslage, erläutere die Praxis der Rechtsprechung und stelle Forderungen für konkretes Handeln auf. Die Kombination von pointierter Analyse, anschaulichen Beispielen und praxisnahen Verbesserungsvorschlägen verleihe nach Auffassung der Jury dem "Werk seinen besonderen journalistischen Wert".
Mit dem "Spezial"-Preis (Preis der Jury) dotiert mit 10.000 Euro, wird der Publizist, Journalist, Schriftsteller und Wissenschaftler Tilman Spengler für sein Lebenswerk ausgezeichnet. Der promovierte Sinologe Spengler hat schon früh für Rundfunk, Fernsehen und Printmedien aus und über China berichtet. Bei der Gründung der Wochenzeitschrift "Die Woche" wurde er deren Feuilletonchef. Dreißig Jahre lang war er Mitherausgeber der Zeitschrift "Kursbuch", in der er ökonomische, ästhetische, ökologische und andere Mängel der Zeit zur Debatte stellte. Sein öffentliches Eintreten für den chinesischen Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo machte ihn zur persona non grata in der Volksrepublik. Heute ist er politischer und kulturkritischer Kommentator für diverse Medien. Außerdem hat er nach Auffassung der Jury auch "wunderbare Erzählungen und Romane" wie "Lenins Hirn" geschrieben, ein in 22 Sprachen übersetztes Werk über Diktatur und Genialität, das in seinem aktuellen Roman "Made in China" (Transit) eine ebenbürtige Entsprechung gefunden habe. Auch Spenglers Folge über Karl Kraus und "Die Fackel" aus seiner 101-teiligen Fernseh-Reihe "Klassiker der Weltliteratur" hält die Jury für "genialisch gut". Mit ihrem Preis zeichnet die Jury Spenglers "Sprachkraft, sein politisches Gespür, seine Urteilskraft – und auch seine Rhetorik aus".