Presseschau Leipziger Buchmesse

"Was will die Buchbranche eigentlich?"

14. Februar 2022
Redaktion Börsenblatt

Auch am Wochenende haben sich die Medien mit Ursachen zur Absage der Leipzig Buchmesse beschäftigt.

Das Hygienekonzept der Leipziger Messe sei lange bekannt gewesen, die Pandemieentwicklung komme nicht überraschend, im Börsenverein – oder in anderen Foren – hätte debattiert werden können“, sagt Jörg Sundermeier vom Verbrecher Verlag in der „taz“: „Dass das nicht geschah, ist nur überraschend, wenn man die Einzelkämpfer (groß wie klein) nicht kennt.“ Zu befürchten sei, dass die Leipziger Messe, dass der Austausch auf Bühnen, in Lesungen, im Kreis der Kolleg:innen, selbst denen nicht mehr wichtig sei, die eigentlich darauf angewiesen wären. „Hier geht es nicht um klein oder groß, nicht um schlechte oder gute Verlage, nicht um individuelle Entscheidungen. Es ist eine politische Frage: Was will die Buchbranche eigentlich? Wenn es nur noch um Kapitalinteressen und Zielgruppenmarketing geht, geht es nicht mehr um faire Wissenschaft, feine Literatur, die Menschen“, so Sundermeier. Dann sei die „heilige Ware Buch“, wie Brecht sie genannt habe, nur noch ein Produkt: „Wie Wurst. Wurstmessen braucht wirklich niemand.“

Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung hat in „ND“ enttäuscht auf die erneute Absage der Leipziger Buchmesse reagiert: „Es tut weh, weil es natürlich ein Branchentreffen ist, was der Stadt guttut und was nicht nur wirtschaftliche Aspekte hat, sondern auch für den gesellschaftlichen Diskurs wichtig ist“. Alle hätten sich auf die Messe gefreut. Er hoffe sehr, dass „die Verlage uns nicht auch nächstes Jahr sagen: ‚Na, geht doch ganz gut online“.“

Felix Stephan zitiert in der „Süddeutschen Zeitung“ Autorin Julia Franck, die von einer „Absage nicht nur an die Literatur, sondern auch an den Osten“ spreche. Zur Wahrheit gehöre, „dass es aus rein betriebswirtschaftlicher Sicht nicht einmal unvernünftig wäre, kein Geld mehr in die Leipziger Messe zu stecken. Die Stände kosten viel Geld, gleichzeitig ist für die deutschen Verlage in Ostdeutschland kaum mehr Geld zu machen. Obwohl knapp 20 Prozent der Deutschen im Osten leben, macht die deutsche Buchbranche dort nur etwa zehn Prozent ihres Umsatzes.“ Sebastian Fitzeks Bestseller „Playlist“ etwa habe sich allein in Nordrhein-Westfalen fast genauso häufig verkauft wie im gesamten Osten. Wirtschaftlich gesehen ergäbe es für die Verlage „also durchaus Sinn, die Frühjahrsmesse nach Köln zu verlegen: Wie die Lit.Cologne ist Leipzig mittlerweile ein reines Publikumsfestival, die großen Deals werden längst in Frankfurt und London abgeschlossen.“ Die Leipziger Buchmesse, so sieht es Felix Stephan, hätte stattfinden können, „wenn die drei großen westdeutschen Verlagskonzerne sich aufgerafft und ein bisschen zusätzliche Energie aufgebracht hätten. Wenn es in den Konzernzentralen ein Bewusstsein gegeben hätte für die Rolle, die die Leipziger Messe in der ostdeutschen Gesellschaft spielt, und dafür, was für ein wichtiger Brückenkopf sie ist für die liberalen, demokratischen, intellektuellen Gesellschaftsteile in Polen, Ungarn, der Ukraine. Wenn das literarische Leben nicht zuerst von der Buchhaltung her gedacht worden wäre. Allein: Nichts davon war vorrätig im Deutschland des dritten Pandemiejahres.“

Pendragon-Verleger Jürgen Butkus hält in der „Neuen Westfälischen“ die Argumente großer Verlagskonzerne für vorgeschoben und kritisiert: „Das Verhalten dieser Verlage ist unsolidarisch gegenüber der gesamten Branche. Wer so agiert, der sollte doch lieber Brötchen oder Hemden verkaufen denn Bücher.“ Die Verpflichtung gegenüber dem Kulturgut Buch, die auch diese Häuser hätten, sehe anders aus. Die Menschen wollen weiterhin auch direkt mit Autor:innen in Kontakt kommen: „Gerade das hat Leipzig immer vorbildlich möglich gemacht.“ Der Pendragon-Verleger appelliert auch an die Buchmesse Frankfurt, viel stärker zu einer Messe für das Publikum zu werden: Die ersten Tage nur für das Fachpublikum zu reservieren wie bisher sei überholt. Butkus fordert: „Und 2023 muss Leipzig wieder über die Bühne gehen.“