Nachruf auf Christa Thabor

"Unangepasst und manchmal rebellisch"

3. November 2020
von Börsenblatt

Am 23.10.2020 ist Christa Thabor verstorben. Peter Bosnic würdigt hier die Persönlichkeit der ehemaligen Verlagsvertreterin von Suhrkamp, Aufbau und Ullstein mit einem Nachruf. 

Christa Thabor war Vorarlbergerin, viele wussten das nicht. Akzent hat man nie gehört, erst wenn sie mit ihrer Familie telefonierte, verstand man kaum was. Das war überraschend, so wie Christa überhaupt, immer überraschte.

Branchenfremd kam sie zu Suhrkamp, wurde 2. Sekretärin von Gottfried Honnefelder, und schon beim Einstellungsgespräch war ihre Bedingung: eine IBM Kugelkopfschreibmaschine. Sie hat sich durchgesetzt und brachte Leichtigkeit ins Vorzimmer, das vorher streng bewacht war.

Aber es wurde ihr langweilig, nach einigen Jahren wollte sie Verlagsvertreterin werden. Auch hier die Überraschung: erst war man skeptisch, aber wieder hat sie sich durchgesetzt und bewiesen, wie gut sie es konnte, Suhrkamp im Warenhaus zu etablieren. Sie reiste durch die ganze Republik und war mit dabei, bei der damaligen Vertreter-Elite: Hans Schultz, Joachim Kremer, Georg Mütz, Thomas Otto…  Und sie war souverän, ließ sich von nichts beeindrucken. „Das ist nichts fürs Warenhaus“ sagte sie, wenn ein Lektor bei der Vertretersitzung nach zähem Vortrag und viel Herzblut auf das Feedback der Vertreter wartete. Zack, klare Ansage, so war Christa.  Aber auch das wurde ihr langweilig und Aufbau rief sie in spannenden Umbruchzeiten. So wurde aus dem Suhrkamp BMW ein Aufbau Skoda und dort brachte sie ihren eigenen Stil acht Jahre lang ein. Dann kam eine neue Herausforderung als Vertreterin von Ullstein, wieder acht Jahre. Nele Neuhaus schrieb 2008, „ich trinke auf Christa Thabor, die mich quasi entdeckt hat“, denn tatsächlich hat Christa die damalige Selfpublisherin zu Ullstein gebracht – weil ihr gefiel, was sie las - man weiß, was daraus wurde! Der rote Faden ihres Lebens war die Veränderung, also strukturierte sie wieder um:  Sie zog 2019 mit ihrem Mann Peter in ihre Heimat Österreich: Wandern, Radfahren, Skifahren und Lesen - das waren ihre Pläne. Dann kam die schreckliche Diagnose und sie hat es leider nicht geschafft, ihr zu trotzen. Wir kannten uns seit 1982, haben mit Günter Berg, Sebastian Blenninger und ihrem Mann Peter jahrelang Squash gespielt und danach in ihrer Küche die Welt verbessert. Als es mich nach München zog, hatten wir jeden Sonntag telefoniert, ein wunderbares Ritual, zuletzt habe ich sie in Österreich im August besucht.

Für mich war sie so unangepasst und manchmal rebellisch, niemals langweilig. Langeweile war ihr ohnehin ein Graus.  Stundenlange Diskussionen, immer mit vielen Emotionen, viel Lachen und immer versöhnlich, es war wunderbar. Für mich war sie ein ganz besonderer und feiner Mensch und ich vermisse sie sehr.