ChatGPT im Fokus

KI in der Buchbranche – Chance oder Gefahr?

30. Januar 2023
Hanna Feige

Algorithmen schreiben Bücher, Robotern lesen Hörbücher vor oder steuern Marketing auf TikTok: Die Möglichkeiten zum Einsatz künstlicher Intelligenz in der Buchbranche sind vielfältig. Über die Chancen und Risiken dieser Möglichkeiten wurde vergangene Woche auf dem Mainzer Kolloquium debattiert.

Christoph Rösener, Niels Peter Thomas und Christoph Bläsi diskutieren über Chancen und Potentiale von algorithmengeschriebenen Büchern und neuronalen maschinellen Übersetzungen.

"Maschinen schreiben, illustrieren und vertreiben Bücher – Arbeitsentlastung oder Dystopie?" Unter diesem Thema trafen am 27. Januar zahlreiche Vertreter der Buchbranche in Mainz aufeinander. Das von der Mainzer Buchwissenschaft jährlich ausgerichtete "Mainzer Kolloquium" ging in eine neue Runde.

Niels Peter Thomas von Springer Nature berichtet über maschinell geschriebene Bücher und den Umgang mit ChatGPT

Springer Nature testet ChatGPT

Springer Nature versuchte sich bereits 2019 an einem komplett von künstlicher Intelligenz geschriebenem Buch. Über das Projekt berichtete Niels Peter Thomas. Es sei zwar schwere Kost und neuere Algorithmen wie ChatGPT seien sprachlich auf einem höheren Niveau, aber die Monografie habe zur Veröffentlichung "überraschend positives Feedback" erhalten, erzählte Thomas.

Derzeit befasse sich der Springer Nature mit dem Umgang und der Einbindung von ChatGPT. So testet der Verlag die Generierung von wissenschaftlichen Artikel durch GPT-Anwendungen für die Fachzeitschrift "Nature". Auch Themen wie die rechtliche Regelung der Anwendung von Algorithmen oder Verantwortung für maschinell produzierte Texte müssen diskutiert werden, betont Thomas.

Algorithmen im Buchmarketing: Veronika Meijerhofer von dtv diskutiert die Besonderheiten und Herausforderungen des Marketings auf Amazon und TikTok

"Das perfekte TikTok-Video ist 15 Sekunden lang"

Veronika Meijerhof vom dtv berichtete über die Arbeit mit Algorithmen im Buch-Marketing. So spielten diese zum Beispiel im Marketing auf Amazon eine wichtige Rolle, wie der Platzierung der Bücher in der Suchtrefferliste. Weiterhin ein wichtiges Thema im Marketing: Das Ausschöpfen der Potentiale sozialer Medien. Gerade der Algorithmus auf TikTok sei "extrem dynamisch", erklärt Meijerhof. Der Algorithmus sei sehr intransparent und lerne sehr schnell, was den*die User*in interessiert. Auch die Aufmerksamkeitsspanne auf der Plattform sei kurzweilig: "Das perfekte TikTok-Video ist 15 Sekunden lang. Da qualitativen Content zu produzieren, ist eine Herausforderung."

Die Stimme klingt täuschend echt

Ebenfalls heiß diskutiert wurden Roboter, die Hörbücher vorlesen. Colin Hauer vom Hörbuch Hamburg Verlag ließ zur Veranschaulichung von ChatGPT eine Kurzgeschichte schreiben. Diese wurde dann von einer künstlichen Intelligenz vorgelesen. Das Publikum ist sich einig: Die Stimme klingt täuschend echt, auch die Betonung stimmt. "Das Programm kennt aber den Inhalt nicht. Emotionen kann sie nicht abbilden", erklärt Hauer. Weiterhin stelle sich die Frage, ob man sich Hörbücher von einem Roboter vorlesen lassen wolle oder nicht.

Weitere Vorträge beschäftigten sich mit neuronalen maschinellen Übersetzungen in der Literatur, Blockchain-Publishing und Data Intelligence im E-Book-Markt. Das Fazit der Tagung zieht Veranstalter Christoph Bläsi: "KI-Werkzeuge können hilfreich sein, wenn Gefahren verhindert und Potentiale genutzt werden."

Das Mainzer Kolloquium wird jedes Jahr von der Abteilung Buchwissenschaft vom Institut für Weltliteratur und schriftorientierte Medien organisiert. Dabei diskutieren Fachleute aus der Buchbranche aktuelle Themen. Organisiert und veranstaltet wurde die Tagung von Gerhard Lauer und Christoph Bläsi von der Mainzer Buchwissenschaft in Kooperation mit dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels, der internationalen Gutenberg-Gesellschaft in Mainz e.V. und dem digital publishing report.

Erstmals seit Beginn der Pandemie wieder vor Ort: Das 28. Mainzer Kolloquium