Ein Beispiel?
Oh, da gibt es unendlich viele. Wenn in der Figurenrede eines Romans Begriffe wie „flotte Motte“ oder „dufte Biene“ vorkommen, würde ich das Setting immer im Berlin der 50er, 60er Jahre verorten. In den 80er Jahren hätte die entsprechende Romanfigur eine tolle Frau womöglich als „riesige Tussi“ beschrieben, heute würde sie vielleicht „geiles Teil“ sagen. Wichtig ist dabei, sich klarzumachen, in welcher Welt sich ein Text bewegt. Neulich habe ich im Schwimmbad 10jährige Jungs gehört, wie sie einander lautstark und immer wieder mit „Aldah, Diggah!“ angesprochen haben. Keiner von ihnen war alt oder dick. Hier ist Sprache ein Code, eine Vergewisserung der Zugehörigkeit. Jede Sprache hat ihre Zeit, jedes Milieu seine Codes und beides sollte sich in der Literatur – beispielsweise im Jugendroman – spiegeln, wenn sie authentisch sein will.
Sie lehren auch als Dozentin an der Uni und an Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg. Wie halten Sie es da mit dem Gendern?
Wie gesagt: Da bewege ich mich im Hochschulmilieu und dort ist es üblich und gewünscht, zu gendern. Wenn ich dort vor den Studierenden spreche, dann rede ich natürlich von Bibliothekar*innen oder Autor*innen. Ich versuche, allzu viele Wiederholungen zu vermeiden. Ich nutze also mal die männliche, mal die weibliche Form, mal beide und mal den „Glottal Stop“, die kleine Sternchenpause. Und trans Studierende frage ich selbstverständlich persönlich danach, wie sie angesprochen werden möchten. Das ist für mich einfach eine Frage der Höflichkeit.
Was Sie als Frage der Höflichkeit bezeichnen, ist für viele andere ein rotes Tuch. Warum steckt so viel Konfliktpotenzial im Gendersternchen?
Interessant finde ich den enormen Furor, der bei diesem Thema aufkommt – denken Sie nur an Elke Heidenreichs Wutrede zum Thema Gendern. Ich kann mir das nur so erklären, dass gerade wir Belletristen so nah an der Sprache, an den Emotionen und Figuren sind, dass uns dieses Thema besonders bewegt. Genau deshalb würde ich auch nie eine abstrakte Handreichung für alle Texte verwenden. Es kommt immer auf den Einzelfall an.