Die Stellungnahme vom 17. August findet sich auf der Website des Kanon Verlags. Die Anschuldigungen und Boykottaufrufe zu "Oh Boy" hätten den Verlag über ein anonymes Profil sowie einen nicht-personalisierten Instagram-Account erreicht, heißt es darin. Sie bezögen sich auf die Erzählung "Ein glücklicher Mensch" von Valentin Moritz in "Oh Boy". Moritz ist Mit-Herausgeber des Buches, das am 12. Juli bei Kanon erschienen ist.
Weiter heißt es in der Stellungnahme: "In der geäußerten Kritik wird besonders die fehlende Opferperspektive betont. Dies ist der Wahrung von Privat- und Intimsphären geschuldet, gibt aber zu Recht Anlass zur Kritik. Wir nehmen diese Kritik sehr ernst."
Den Text im Rahmen eines vielstimmigen Debattenbuchs zu veröffentlichen, sei in einem intensiven rechtlichen, künstlerischen und moralischen Abwägungsprozess geschehen, "den wir nicht als abgeschlossen betrachten", so der Verlag. "Insofern sehen wir die jetzt aufgeführten Argumente und Sichtweisen als hilfreich an."
"Ein glücklicher Mensch" setzte sich auf literarische Weise mit Täterschaft und patriarchaler Gewalt auseinander. Der Erzähler suche darin eine Sprache für männliche Täterschaft. Das sei eine Position, für die es im Diskurs kritischer Männlichkeit bisher nur wenig Worte gebe. "Valentin Moritz hat in seinem Text einen Weg gewählt, eine Täterschaft zu thematisieren, ohne dabei auf ein konkretes Ereignis zu referieren oder mögliche reale Personen erkennbar zu machen", argumentiert Kanon. "Wir bedauern es sehr, dass sich eine Person trotzdem in diesem literarischen Text wiedererkennt."
"Oh Boy" wolle Diskurse und Debatten anstoßen und die Prinzipien männlicher Sozialisation hinterfragen. Dazu gehöre nach Ansicht des Verlags auch, männliche Täterschaft zu thematisieren. "Ob und wie über sexualisierte Gewalt aus Täterperspektive gesprochen werden sollte, ist eine hochkomplexe Frage, deren Beantwortung viel Schmerz verursachen kann. Aber die unserer Ansicht nach gestellt werden muss."
Am Ende der Stellungnahme betont der Verlag, dass sich Valentin Moritz entgegen der im Boykottaufruf formulierten Behauptung, nicht an den Erlösen von "Oh Boy" bereichere. "Bereits vor Drucklegung hat er sein Vorschusshonorar an eine Organisation gespendet, die Frauen und Zugehörige anderer Geschlechtsidentitäten in Fällen von sexualisierter Gewalt berät. Er wird so auch mit etwaigen Gewinnen aus dem Buch verfahren."