Kanon Verlag stoppt Auslieferung von "Oh Boy"

"Die Veröffentlichung war ein Fehler"

18. August 2023
Redaktion Börsenblatt

Alle digitalen Formate und eventuelle Nachauflagen von "Oh Boy" werde es nur noch ohne die Erzählung "Ein glücklicher Mensch" von Valentin Moritz geben, postet der Kanon Verlag am 18. August in einem neuen Statement.

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Man habe die letzten Tage und Stunden genutzt, schreibt der Kanon Verlag am Abend (18. August) in einem neuen Statement auf seiner Website, um die Entscheidung bezüglich der Veröffentlichung von Valentin Moritz' Text "Ein glücklicher Mensch" in dem Buch "Oh Boy" gründlich zu überdenken. In dem Text werde ein sexualisierter Übergriff aus Täterperspektive thematisiert. Nun geht der Verlag einen Schritt weiter als in seinem ersten Statement vom Vortag (siehe Börsenblatt online: Kanon Verlag: "Wir nehmen diese Kritik sehr ernst").

"Wir sind zu der Erkenntnis gelangt, dass dessen Veröffentlichung ein Fehler war", so der Kanon Verlag heute. Als Konsequenz habe man heute, am 18. August, die Auslieferung des Buches gestoppt. Alle digitalen Formate und eventuelle Nachauflagen von "Oh Boy" werde es nur noch ohne "Ein glücklicher Mensch" geben.

Verlag wusste vorab Bescheid

Während der Entstehung der Anthologie habe Mit-Herausgeber Valentin Moritz den Verlag über einen tatsächlichen Vorfall in Kenntnis gesetzt, räumt Kanon ein: "Er teilte mit, dass es eine Betroffene gebe und diese nicht wünscht, dass er einen Text über den Vorfall verfasse."

Moritz hätte dann angeboten, sich aus dem "Oh Boy"-Projekt zurückzuziehen. Die Herausgebenden und der Verlag hätten darauf intensiv darüber diskutiert, "ob es nicht doch einen Weg geben könnte, dem Nein der Betroffenen zu entsprechen und einen Text über ein Tabuthema zu ermöglichen, in dem es um Scham, Reue und Prägungen gehe. Solch einen Weg habe man im dann publizierten Text "Ein glücklicher Mensch" gesehen. "Doch dieser Weg erweist sich als nicht richtig", konstatiert der Verlag in seiner zweiten Stellungnahme. "Das ist uns, leider viel zu spät, klar geworden".

Man hätte den Wunsch der Betroffenen, den Vorfall in keiner Form aufzugreifen, auch nicht in einer fiktionalen, respektieren müssen. Für diese Fehlentscheidung und die dadurch entstandenen Verletzungen "möchten wir aufrichtig um Entschuldigung bitten" – besonders bei der Betroffenen. Mit ihr suche man, sofern sie noch dazu bereit sei, das Gespräch. Die Intention, männliche Täterschaft zu thematisieren, dürfe nicht dazu führen, dass die Betroffenenperspektive außen vor bleibe, überhört oder gar übergangen werde, betont der Kanon Verlag jetzt.

Schließlich reagiert der Verlag noch auf die Debatte und Kommentare in den Sozialen Medien: "Wir bedanken uns für die ausführlichen Kommentare und die Kritik, die uns in den letzten Stunden erreicht haben. Wir nehmen sie uns sehr zu Herzen für unsere zukünftige Verlagsarbeit".