Frankfurt am Main

Haratischwili wird Stadtschreiberin

19. Juni 2023
Redaktion Börsenblatt

Die 50. Stadtschreiberin von Bergen-Enkheim steht fest: Nino Haratischwili wird als Nachfolgerin von Marion Poschmann für ein Jahr im Stadtschreiberhaus in Bergen wohnen und arbeiten können. Dazu erhält sie ein Preisgeld von 20.000 Euro.

Nino Haratischwili

Das Amt des Stadtschreibers / der Stadtschreiberin von Bergen-Enkheim wurde erstmals 1974 verliehen, die grundlegende Idee ist seither von zahlreichen anderen Städten in Deutschland aufgegriffen worden. Der Preis wird von einer Jury vergeben, den Fachjuror:innen (darunter die letzte Stadtschreiberin) sowie Juror:innen aus der Bergen-Enkheimer Bürgerschaft und der Ortsvorsteherin Bergen-Enkheims.

In der Begründung der Jury für die Wahl der neuen Stadtschreiberin von Bergen-Enkheim heißt es: "Nino Haratischwili ist eine Erzählerin von Weltformat. Mit viel Hingabe nimmt sie sich Zeit für ihre Geschichten, zeichnet bleibende Bilder und starke Figuren, die die Leser:innen in ihren Bann ziehen. Ihre Prosa und Dramatik ist aus der europäischen Literaturgeschichte nicht mehr wegzudenken: Nino Haratischwili ist eine DER weiblichen Stimmen, die sich mit der Geschichte des 20. Jahrhunderts auseinandersetzt.

Auf den großen Theaterbühnen feiert Nino Haratischwili als Dramatikerin und Regisseurin große Erfolge. In ihren Romanen 'Das achte Leben (Für Brilka)' und 'Das mangelnde Licht' erzählt sie sehr eindringlich von der Geschichte der Post-Sowjetunion am Beispiel Georgiens. Damit macht sie den langen Weg aus der Abhängigkeit der Sowjetstaaten zu Russland sichtbar und die gegenwärtige politische Situation nachvollziehbar.

Haratischwili verbindet das Weltgeschehen mit Einzelschicksalen ihrer Figuren und lässt so die Vergangenheit Georgiens lebendig werden, ohne den Bezug zur Gegenwart zu verlieren. Ihre Literatur ist so erschreckend aktuell wie die Dramen der alten Griechen. Es geht um Kriegsgeschehen, schmerzhafte Erfahrungen, Gewissensprüfungen, Schuld und Tragik und das große Leid, das aus Krieg entsteht und über Generationen weitergegeben wird. Dabei verlieren die Protagonist:innen nie aus den Augen, was Hoffnung spendet: Freundschaft, Liebe, Familie und Zusammenhalt unter Gleichgesinnten."

Namhafte Amtsinhaber:innen waren u.a. Wolfgang Koeppen, Peter Härtling, Jurek Becker, Peter Bichsel, Eva Demski, Katja Lange-Müller, Robert Gernhardt, Herta Müller, Wilhelm Genazino, Peter Kurzeck, Peter Weber, Katharina Hacker, Ulrich Peltzer, Thomas Lehr, Marcel Beyer, Thomas Melle, Anja Kampmann und Dorothee Elmiger.

Über Nino Haratischwili

Nino Haratischwili, geboren 1983 in Tbilissi/Georgien, ist Romanautorin, Theaterautorin und Regisseurin. Ihr Familienepos "Das achte Leben (Für Brilka)", in 25 Sprachen übersetzt, wurde ein weltweiter Bestseller, eine internationale Verfilmung ist in Vorbereitung. In ihrem aktuellen Roman "Das mangelnde Licht" erzählt Nino Haratischwili die dramatische Geschichte einer bedingungslosen Frauenfreundschaft in der Zeit nach der Unabhängigkeitserklärung Georgiens, die von Straßenschlachten, Bürgerkriegen und Heroinsucht geprägt war. Nino Haratischwili lebt heute in Berlin.