In seinem aktuellen Heft (38/2022) berichtet der Spiegel über das soeben im Kanon Verlag erschienene Buch unserer Autorin Rebecca Donner „Mildred. Die Geschichte der Mildred Harnack und ihres leidenschaftlichen Widerstands gegen Hitler“. Darin werfen die Autor:innen unter Berufung auf den Leiter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Johannes Tuchel, Rebecca Donner einen fehlerhaften Umgang mit Fakten vor. Leider leistet der Artikel einer Perspektive Vorschub, die zu korrigieren höchste Zeit ist. Und leider enthält er selbst eine Reihe von Fehlern und Unterstellungen.
So ist etwa folgende Behauptung falsch, die hier stellvertretend angeführt sei: "Im Anhang nennt Donner als Beleg für das angebliche Wachstum der Gruppe die Zahl von fast 900 Widerständigen um die Harnacks und Schulze-Boysens im Jahr 1940." An keiner Stelle im Buch schreibt Rebecca Donner, dass 900 Widerständige in der Gruppe waren. Die Zahl, die sie nennt, ist 119 (S. 425 u. S. 573). Durch eine transparente Kommunikation mit Verlag und Autorin hätte dies vermieden werden können. Aus dem Zusammenhang gelöste Zitate wurden nicht zur Freigabe gezeigt, weitere Richtigstellungen nicht ermöglicht. So entstand ein Bericht, der nicht nur die zehn Jahre währende Forschungsarbeit unserer Autorin abschätzig behandelt, sondern der auch die Lebensleistung der Widerstandskämpferin und Frau Mildred Harnack einmal mehr herabstuft. Für ihr u.a. mit dem PEN Award for Biography und dem National Book Critics Circle Award for Biography ausgezeichnetes und mit umfangreichem Anmerkungsapparat versehenes Buch hat Rebecca Donner sowohl mit der aktuellen Forschungsliteratur gearbeitet als auch neue Quellen wie Zeitzeug:innen-Erinnerungen, Tagebücher und Briefe erstmals erschlossen, die der Gedenkstätte Deutscher Widerstand nicht vorliegen. Was dem Leiter der GDW seit langem vorliegt, ist die englischsprachige Originalausgabe von Rebecca Donners Buch. Es hätte guter akademischer, kollegialer Praxis entsprochen, wenn er seine Einwände spezifiziert und mit Rebecca Donner direkt diskutiert hätte.
Frauen wie Mildred Harnack waren mehr als die Schatten ihrer Ehemänner. Wie Rebecca Donner in ihrem konzis formulierten Buch nachweist, beteiligten sie sich aktiv am Widerstand gegen das NS-Regime. Frauen wie Mildred Harnack sollten auch die Subjekte der akademischen Forschung sein, immerhin riskierten und verloren viele von ihnen ihr Leben. Es ist an der Zeit, sie gebührend zu würdigen. Rebecca Donner tut dies in ihrem persönlichen und integren Buch über ihre Urgroßtante Mildred Harnack, deren 120. Geburtstag wir anders begehen wollen als bisher: angemessen.
Gunnar Cynybulk
Verleger