Arabische Bücher und vermittelnde Institutionen

„Den Schwerpunkt auf nichtterroristische Literatur setzen“

21. Oktober 2023
Nicola Bardola

Im „Publishing Perspectives Forum“ fand unter dem Titel „Rechte und Lizenzen in der arabischen Welt“ eine Podiumsdiskussion statt, die sich mit der Frage nach einem besseren Verständnis für den arabischen Buchmarkt beschäftigte. Was können Autor:Innen, Agent:Innen und Verlage tun, um die Durchlässigkeit von Inhalten zu erhöhen? Was erwartet die Welt von arabischen Büchern, damit diese attraktiver werden für Leser:Innen im Westen?

Hannah Johnson, Robert Morgan und Fatma Elboudy auf dem Publishing Perspectives Forum

Die für das Podium angekündigte Leiterin der Lizenzabteilung und Chefredakteurin bei Arab Scientific Publishers (Beirut, Libanon) Lina Chebaro und Yasmina Jraissati, Literaturagentin und Gründerin der RAYA Agency (Paris, Frankreich) hatten aufgrund des Israel-Gaza-Krieges abgesagt. Sie wurden ersetzt durch Robert Morgan, Verleger von Bookland Press (Toronto, Kanada) und Fatma Elboudy, Leiterin des Verlages Elain Publishing (Kario, Ägypten). Moderatorin Hannah Johnson, Verlegerin von Publishing Perspectives erwähnte den Krieg mit keinem Wort, sondern konzentrierte sich auf das geplante Thema.

Elboudy schilderte die Grundlagen: Der Rechteinkauf sei kein Problem, schwierig hingegen sei es, nichtarabische Verlage für die heimischen Novitäten zu begeistern. Trotz der engen Zusammenarbeit Elboudys mit dem Arabic Language Centre (Abu Dhabi, Vereinige Arabische Emirate) sei das Missverhältnis zwischen den vielen ins Arabische übersetzten Titel und den wenigen verkauften Lizenzen enorm. Elboudy skizzierte auch, wie sich die Situation verbessern ließe, beispielsweise durch häufigere Teilnahmen an internationalen Messen, professionellere Web-Auftritte oder stärkere Präsenz in sozialen Netzwerken. „Wenn eines unserer Bücher erstmal ins Englische übersetzt wurde, dann läuft der Lizenzverkauf oft sehr viel besser, weil viele Verlage nicht in der Lage sind, direkt aus dem Arabischen zu übersetzen“, so Elboudy, deren Titel schon mehrfach auf der Longlist des Booker Prize standen. Hilfreich sei es für arabische Verlage, den Sheikh Zayed Book Award zu gewinnen, weil danach Inhaltszusammenfassungen und Leseproben in englischer Sprache starke Verbreitung fänden.

Robert Morgan lässt traditionell viele Titel, vor allem Kinder- und Jugendbücher aus dem Arabischen ins Englische und Französische übersetzen: „Übersetzungen aus dem Arabischen wuchsen in Kanada in den vergangenen sechs Jahren exponentiell“, so Morgan, für den Toronto „the most intercultural city in the world“ ist. In Kanada gebe es große arabische Diasporas. Allerdings fehle eine geeignete Infrastruktur, um dieses Wachstum fortzusetzen: „Wir brauchen Agenten, gute Übersetzer, ein geeignetes Marketing und entsprechende PR. Bookland hatte diese Voraussetzungen, aber sie müssen erweitert werden. Infrastruktur!“, forderte Morgan auch für seine Verlagskollegen in Nordamerika.

Sherif Bakr, Hartmut Fähndrich, Stefan Weidner und Anne Millet

Eine Fortsetzung fand die Diskussion im „Frankfurt Studio“ unter dem Titel „Arabische Literaturen in Europa - Institutionen der Vermittlung - Was sind die Hindernisse und Schwierigkeiten bei der Förderung der arabischen Literatur in Europa?“ Moderator Stefan Weidner wies darauf hin, dass die arabische Literatur auf dem europäischen Buchmarkt inzwischen sichtbarer geworden, aber im Vergleich unterrepräsentiert sei. Sowohl in der arabischen Welt als auch in Europa seien Institutionen entstanden, die das literarische Schaffen arabischer Autoren und deren Sichtbarkeit in Europa förderten, darunter der Sheikh Zayed Book Award, die französische Initiative LEILA (Arabic Literature In European Languages) oder die deutsch-britische Literaturagentur Teneleven. Abgesagt hatte allerdings Katharine Halls von Teneleven. Fatma Elboudy war verhindert. Sie wurden ersetzt durch Anne Millet (LEILA Projektmanagerin), Sherif Bakr, General Manager von Al Arabi Publishing and Distribution (Kairo) und den Islamwissenschaftler und Übersetzer Hartmut Fähndrich (Bern), der als einer der Ersten arabische Literatur ins Deutsche übertrug. Inzwischen sind es mehr als 70 Bücher.

Fähndrich verließ Deutschland Ende der 1970er Jahre und zog in die Schweiz, „weil dort die Verlage offener für Texte aus dem arabischen Sprachraum sind“, so Fähndrich. Vor allem Kleinverlage wie Lenos (Basel) und der Unionsverlag (Zürich) hörten jahrzehntelang auf Fähndrichs Empfehlungen. „Mir ist es wichtig, Schwerpunkte auf nichtterroristische Literatur zu setzen und zu zeigen, dass es in der arabischen Literatur viele lesenswerte Texte gibt, die sich wie bei uns mit dem Alltag auseinandersetzen.“ Alle Diskussionsteilnehmer verbindet den Willen, Empfehlungslisten zu erstellen. Fähndrich präsentiert zeitgenössische pazifistische Werke auf seiner Webseite hartmutfaehndrich.ch und Millet in Kooperation mit einer mehrköpfigen Expertenjury ein Auswahl auf leila-arabicliterature.com. Bakr seinerseits bereitet einen eigenen Auftritt vor. Er hofft auf einen arabischen „Breakthrough“-Titel, einen internationalen Bestseller in den kommenden Jahren, auf den arabische Verlage dann vorbereitet sein sollen, um rasch nachlegen zu können.