Bruno Latour wurde im Juni 1947 geboren, studierte Philosophie, Anthropologie und Bibelexegese und promovierte an der Universität Tours. Während seines Militärdienstes entwickelte er Interesse an der Soziologie und verfasste er gemeinsam mit Steve Woolgar seine erste ethnographische Studie, die aufzeigte, welche Rollen rhetorische Strategien und technische Artefakte bei der Konstruktion wissenschaftlicher Tatsachen spielen.
Später entwickelte er gemeinsam mit anderen Soziologen die Akteur-Netzwerk-Theorie. Sie ist der Auffassung, dass sich Technik/Natur und die Gesellschaft in einem Netzwerk wechselseitig Eigenschaften zuschreiben.
Auf dieser Basis veröffentlichte er mit „Wir sind nie modern gewesen“ und „Das Parlament der Dinge“ eine Kritik der modernen Gesellschaft. Zu seinen bedeutendsten Studien zählt „Aramis oder die Liebe zur Technik“ – darin zeigt er, wie soziale Aspekte am Aufstieg und Fall von Innovationen mitwirken.
Für seine Arbeit wurde unter anderem er als „großer Erneuerer der Sozialwissenschaften“ mit dem Siegfried-Unseld-Preis ausgezeichnet, in die American Academy of Arts and Sciences aufgenommen, mit dem Kulturpreis der Münchener Universitätsgesellschaft und mit dem mit 4,5 Millionen norwegischen Kronen dotierten Holberg-Preis ausgezeichnet.
Bruno Latours Werke erschienen auf Deutsch bei Suhrkamp, hauptsächlich in der edition suhrkamp und im suhrkamp taschenbuch wissenschaft, zuletzt „Wo bin ich? Lektionen aus dem Lockdown“ im November 2021.
Für den 30. Oktober ist außerdem der Titel „Zur Entstehung einer ökologischen Klasse“ angekündigt. Darin plädiert er gemeinsam mit Nikolaj Schultz für eine Politik, „ die den Schutz unserer Lebensgrundlagen ins Zentrum gemeinsamer Anstrengungen stellt.“ So wie einst die Arbeiterklasse den sozialen Fortschritt erkämpfte, bedürfe es heute einer ökologischen Klasse.
Am 9. Oktober 2022 ist Latour im Alter von 75 Jahren an einer schweren Krebserkrankung gestorben.