Markus Klose zur Leipziger Buchmesse

"Aber nächstes Jahr wieder im März"

26. April 2023
Markus Klose

Klaus G. Saur schrieb in seiner bemerkenswerten Geschichte der Leipziger Buchmesse, dass ihr schon ab 1825 der „eigentliche Charakter einer Handelsmesse“ verloren gegangen sei. Das ist 198 Jahre her. Was aber wurde sie dann und was ist sie heute? Und was unterscheidet sie von ihrer Großtante in Frankfurt?

Markus Klose, DIE GUTE AGENTUR (www.dieguteagentur.de)

Vormittags sind das sicher die Schulklassen, die ausschwärmen, um Fragenkataloge abzuarbeiten. Immer noch mein persönliches Highlight: Die Frage nach dem wichtigsten Buch am Stand, gestellt von zwei Vierzehnjährigen. Die Antwort: "Die Biografie von Gorbatschow." Sein Kugelschreiber verharrte sichtbar über dem Din A4 Block, eindeutig ist die Unsicherheit über die korrekte Schreibweise der Grund. Sagte sie zu ihm: „Mensch, ist doch einfach, wie der Wodka!“.

Wodka ansonsten wird wenig ausgeschenkt, Weine aber gibt es, mit und ohne Bubbles. Da der Handel insgesamt, siehe Saur, in nur geringer Stärke unterwegs ist, bleibt den sogenannten Standbesatzungen gar nichts anderes übrig, als die Vorräte selbst anzugehen. Blue Hours, also im wörtlichen Sinne die Entfernungen zwischen den Vorräten, sind schneller bewältigbar; man sieht sich also untereinander öfter. Das ist praktisch, denn so wird auch die Leipziger Büchertausch-Meisterschaft weniger von Logistik und mehr von der Begrenztheit des Angebots durch die kleineren Standflächen geprägt. Häufig also wird zu hören sein: „Da haben wir nur zwei von mitgenommen, kann ich dir aber zuschicken.“

Ein prägnanter Unterschied ist der Termin der Preisverleihung. Am Main erfolgt der vor der Messe, an der Weißen Elster während der Messe am Donnerstag. Und so ertönen zwischen 16 und 17 Uhr plötzlich fröhliche Begeisterungsschreie von einzelnen Ständen, man hört das Ploppen von Korken (siehe oben), ein weiterer Feiergrund ist gefunden.

Apropos Donnerstag: das ist auch so eine Besonderheit in Leipzig. Jedes Jahr wundert man sich neu, warum die Messe nicht schon am Mittwoch startet. Und dieses Mal wundert man sich doppelt, weil sie im April stattfindet. Man wollte der Winterwelle des Virus ausweichen, so die Begründung. Nun, der Winter scheint immer noch da zu sein, der Virus auch. Ich würde sagen: Nächstes Jahr wieder im März!

Genau das wird wohl häufig zu hören sein auf dieser Messe: „Aber nächstes Jahr wieder im März!“

Es gibt noch andere Sätze, die diese Leipziger Messe prägen könnten. Hier einige Vorschläge:

  • Zum Thema Gastland: „Kannst du dich noch an das Buch des gerade verstorbenen Vito von Eichborn erinnern: 'Weg mit den Alpen - Freier Blick aufs Mittelmeer!'"
  • Zum Thema Messe-Layout: „Liegt die Halle 2 rechts gegenüber der 3 oder ist das die linke neben der 4?“
  • Zum Thema Manga-Cosplayer: „Hm, ist das da jetzt Jigokuraku Gabimaru oder The Piltover Enforcer?“
  • Zum Thema Zukunft der Branche: „Hast du schon die neue Netflix Serie gesehen?“
  • Zum Thema zu niedrige Ladenpreise: „Der neue Roman von Stuckrad Barre kostet so viel wie zehn Kugeln Schokoladeneis.“

Ein Satz wird in Frankfurt und in Leipzig allerdings gleichermaßen häufig gesagt. Der Unterschied aber ist gewaltig. In Frankfurt ist er eine freundlich gemeinte Lüge, in Leipzig dagegen eine geradezu unvermeidliche Wahrheit. Man hört ihn in der Regel auf den Gängen und er lautet:

„Wir sehen uns!“