Sinti-und-Roma-Bürgerrechtlerin

Ilona Lagrene ist tot

23. November 2023
Redaktion Börsenblatt

Die Autorin und Sinti-und-Roma-Bürgerrechtlerin Ilona Lagrene ist am 19. November im Alter von 73 Jahren in Mannheim gestorben.

Für ihr Engagement für Bürger- und Frauenrechte sowie die Belange der Sinti und Roma wurde Ilona Lagrene (Mitte) mit der Staufermedaille in Gold geehrt. Mannheims Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz (links)  überreichte ihr die Auszeichnung im April dieses Jahres. Rechts Romani Rose, Vorsitzender des Zentralrats der Sinti und Roma. 

Die 1950 in Heidelberg geborene, einer Sinti-Familie entstammende Bürgerrechtlerin und Autorin Ilona Lagrene gehörte 1986 zu den Mitgründerinnen des Verbands Deutscher Sinti und Roma, Landesverband Baden-Württemberg (VDSR BW), dessen Vorsitz sie von 1989 bis 1996 innehatte. "Sie war eine leidenschaftlich für Sinti und Roma engagierte Autorin, Frauenrechtlerin und Bürgerrechtlerin, die bis zu ihrem Tode auch im Vorstand des Landesverbands Rheinland-Pfalz mitwirkte", schreibt der Verband auf seiner Website.

Die Familie von Ilona Lagrene gehörte zu den Sinti, die 1940 über den Hohenasperg ins nationalsozialistische “Generalgouvernement” im besetzten Polen deportiert wurden. Viele ihrer Angehörigen wurden von den Nationalsozialisten ermordet, die Überlebenden litten an den Folgen von Sterilisierungen, Menschenexperimenten und unmenschlichen Haftbedingungen. Lagrene war war mit dem Bürgerrechtler und Autor Reinhold Lagrene verheiratet, "der allen in der Minderheit bis heute ein Vorbild ist", so der VDSR.

Bei dem Schweigemarsch nach dem gewaltsamen Tod des Sinto Anton Lehmann in Heidelberg 1973, der als Initialzündung einer sichtbaren Bürgerrechtsbewegung gilt, war Ilona Lagrene dabei. Sie hat sich für die Gründung des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma eingesetzt und engagierte sich in vielen politischen und gesellschaftlichen Auseinandersetzungen. Besonders am Herzen lag ihr die Erinnerungsarbeit, sie setzte sich für Gedenkzeichen in Heidelberg und Tübingen ein und war an der Besetzung des Universitätsarchivs in Tübingen 1981 beteiligt. 

Ilona Lagrene arbeitete die Verfolgungsgeschichte der Heidelberger Sinti im Nationalsozialismus auf und dokumentierte gemeinsam mit ihrem Ehemann die Erlebnisse von Sinti und Roma, die den nationalsozialistischen Völkermord überlebt hatten. Gemeinsam mit Hildegard Lagrenne besuchte sie schon in den 1990er Jahren zahlreiche Schulen, um junge Menschen und Lehrkräfte über Antiziganismus aufzuklären. Sie setzte sich besonders in der Bildungsarbeit für Jugendliche und Frauen ein. 2018 erhielt Ilona Lagrene den Hildegard-Lagrenne-Preis der Stadt Mannheim und wurde gerade erst im April 2023 mit der Staufermedaille des Landes Baden-Württemberg in Gold ausgezeichnet. 

"Ihre Arbeit ist dem Landesverband bleibendes Vermächtnis und in die Zukunft weisende Aufgabe. Wir trauern mit ihrer Familie um eine große Persönlichkeit der Bürgerrechtsbewegung", so der VDSR.

Romani Rose, Vorsitzender des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, würdigte Ilona Lagrene mit den Worten: "Ilona Lagrene hat zu Beginn der Bürgerrechtsarbeit Pionierarbeit geleistet und gemeinsam mit vielen anderen dafür gekämpft, dass der Holocaust an unserer Minderheit von der Bundesregierung anerkannt wurde. Ohne Menschen, wie Ilona Lagrene würde es die Bürgerrechtsarbeit der Sinti und Roma in der heutigen Form nicht geben."