Glückwunsch von Franzobel

Herbert Ohrlinger zum 60.

17. Oktober 2021
Redaktion Börsenblatt

Herbert Ohrlinger, seit 25 Jahren Verleger des Zsolnay Verlags, ist am 17. Oktober 60 geworden. Der Schriftsteller und langjährige Verlagsautor Franzobel gratuliert ihm.

Kunst heißt, den Dingen Bedeutung geben. Bei Schriftstellern sind es Geschichten, Menschen, die auf ein Podest gehoben werden. Jeder, der ernsthaft schreibt, macht dies unter Einsatz seines Lebens. Die einen für Ruhm, die anderen, um den großen Wahrheiten zu Leibe zu rücken. Gerade deshalb ist es wichtig, einen guten Verleger an seiner Seite zu wissen.

Was macht einen guten Verleger aus? Er muss mit seinen Schäfchen um die Häuser ziehen, mit den männlichen in die anrüchigsten Viertel, mit den weiblichen zu Modenschauen. Mindestens einmal im Jahr sollte er zu einer Zechtour laden, nackt durch den Wörthersee schwimmen, mit seinen Autoren und Autorinnen im Privatjet zu den angesagtesten Plätzen fliegen, zu Cocktailpartys in Johannesburg, transsilvanischen Hochzeiten, Kaviar-Empfängen in Kamtschatka. Er sollte Feriendomizile auf Capri, Sylt und Island besitzen, dazu einen Mops, der unliebsame Kritiker beinlich kopuliert, und er muss rund um die Uhr erreichbar sein. Ein guter Verleger braucht die Fähigkeiten eines guten Psychotherapeuten und die Weisheit eines lebenserfahrenen Philosophen.

Herbert Ohrlinger besitzt von den genannten Dingen wenig und von den Eigenschaften nur ein paar. Trotzdem ist er ein guter Verleger, ein sehr guter sogar. Er hat in den vergangenen fünfundzwanzig Jahren unter anderem Hennig Mankell und den seit Jahren als Nobelpreiskandidat gehandelten Mircea Cărtărescu verlegt, den österreichischen Geistesgrößen Franz Schuh und Karl-Markus Gauß die verlegerische Stange gehalten, André Heller oder Hubert von Goisern zum Schreiben animiert, spannende Persönlichkeiten zum Verfassen ihrer Lebenserinnerungen gebracht. Oder gezwungen? Man weiß es nicht. Herbert Ohrlinger hat sich hinter Lisa Eckhart gestellt, als die Anschuldigungen gegen die junge Kabarettistin ins Groteske zu entgleiten drohten; und neuen Stimmen Buch gegeben. Die Liste der erfolgreich verlegten Debüts und Jungautorinnen ist lang, zuletzt etwa Elias Hirschl.

Herbert Ohrlinger, von allen Ohr genannt, leitet seit 25 Jahren den Wiener Zsolnay-Verlag, der in Deutschland konsequent falsch ausgesprochen wird – Solnei oder Zolnee, dabei heißt es Scholnai wie Schomlauer Nockerl. Ohrlinger ist kein cholerischer Polterer und auch kein Tausendsassa, der einem das Blaue vom Himmel verspricht, und der bei jedem Text so tut, als wäre er das Bedeutendste seit dem Johannes-Evangelium. Er ist ein behutsamer, feinfühliger Leser, der für Texte brennt und, wenn es sein muss, auch leidenschaftlich für sie kämpft. Er hat ein außerordentlich umfangreiches Wissen, steht immer hilfreich zur Verfügung und ist ein bescheidener homme des lettres. Dabei aber keiner, der sich von einem Löffel Bibliotheksstaub ernährt, sondern lukullisch, witzig und zweibeinig mit genesener Hüfte im Leben steht.

Herbert Ohrlinger ist ein großartiger Verleger und doch weitgehend unbekannt, in sozialen Netzwerken nicht aktiv. Keiner, der sich mit Selfies öffentlich in den Spiegel schaut oder postet, wenn er André Heller in Marokko trifft. Es geht ihm nicht um Ruhm, sondern um Wahrheit. Das macht seine Persönlichkeit aus.

Und nun wird dieser Mensch, in dem die österreichische Literatur der letzten Jahrzehnte aufs Sagenhafteste kulminiert, also sechzig Jahre alt. Ein Denkmal sollte man ihm errichten. Zwar gibt es bereits das große Ohr des Gugginger Künstlers Johann Garber vor dem Wiener Funkhaus, aber das verbinde wohl nur ich mit Ohrlinger. Vielleicht wird der Flughafen der französischen Hauptstadt dereinst nach ihm benannt: Paris Ohrlinger. Oder es findet eine Umbenennung seiner Heimatgemeinde statt, wird Ohlsdorf zu Ohrlsdorf. Verdient hätte er es sich allemal. Happy Birthday Ohr. Mögest du noch vielen Autorinnen Gehör und der Welt wunderbar edierte Bücher schenken.