Appell an Kanzler, Bund und Länder

Fast 100 Verbände fordern Bildungswende

1. Juni 2023
Redaktion Börsenblatt

Akuter Lehrkräftemangel, schlechtes Abschneiden bei der IGLU-Studie, zu viele Schulabbrecher:innen: So kann es nach dem Willen von rund 100 Verbänden nicht weitergehen. Mit dem Appell "Bildungswende jetzt!" fordern sie Kanzler Olaf Schulz, die Regierungschef:innen in Bund und Ländern sowie die KMK auf, sofort zu handeln.

Nach Überzeugung der Initiatoren und Erstunterzeichner, unter ihnen der Bundeselternrat"Schule muss anders" sowie der DGB und die Gewerkschaften GEW und verdi, durchlebt Deutschland derzeit "eine der schwersten Bildungskrisen seit Gründung der Bundesrepublik". "Ein enormer und sich vergrößernder Mangel an Lehrer*innen und Erzieher*innen trifft auf ein veraltetes, unterfinanziertes und segregiertes Bildungssystem, das sozial ungerecht ist." Kinder und Jugendliche würden viel zu oft nicht ausreichend auf die Zukunft vorbereitet, und notwendige Aufgaben wie Digitalisierung und Inklusion wurden viel zu lange verschlafen.

Bereits im Vorschulbereich, wo Bildung beginnt, fehlten hunderttausende Kitaplätze und über 300.000 Erzieher:innen, um eine ausreichende Versorgung und einen angemessenen
Betreuungsschlüssel zu gewährleisten, so die Unterzeichner:innen. An den Schulen würden bis 2035 knapp 160.000 Lehrer:innen fehlen.

Vier Forderungen an die Politik

1. SONDERVERMÖGEN Bildung und ausreichende Finanzierung:
ein Sondervermögen Bildung in Höhe von mindestens 100 Mrd. Euro für die notwendigen Investitionen in Kita und Schule; mindestens 10 Prozent des Bruttoinlandsprodukts jährlich für Bildung und Forschung, wie es beim Dresdner Bildungsgipfel 2008 vereinbart wurde

2. AUSBILDUNGSOFFENSIVE für Lehrer*innen und Erzieher*innen:
einen Staatsvertrag Lehrkräftebildung, der alle Bundesländer dazu verpflichtet, genügend Lehrkräfte auszubilden und die Studienabschlüsse gegenseitig anzuerkennen; die Überarbeitung und engere Verzahnung des Lehramtsstudiums mit der Praxis und neue Wege ins Lehramt; einen Plan, wie die Ausbildung von ausreichend und gut qualifizierten Erzieher*innen bei attraktiven Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen sichergestellt werden kann, und dessen Umsetzung

3. Schule ZUKUNFTSFÄHIG und INKLUSIV machen:
Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) wirkungsvoll als verbindlichen Lerninhalt zu verankern, damit sich Schüler:innen auf die großen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts vorbereiten können; Lehrpläne und Lerninhalte schüler:innenorientiert und diskriminierungskritisch zu überarbeiten, um Freiräume für die intellektuelle, emotionale und soziale Entwicklung der Schüler*innen zu schaffen und die Bildungsqualität zu erhöhen; alternative Leistungsbewertungen zu ermöglichen statt zu viele Vergleichsarbeiten durchzuführen; Schulentwicklung gemeinsam zu gestalten, auf Nachhaltigkeit auszurichten und durch passende Aus- und Weiterbildung zu unterstützen; multiprofessionelle Teams als festen Bestandteil in allen Schulen zu verankern und zu finanzieren

4. echter BILDUNGSGIPFEL auf Augenhöhe
einen vom Bundeskanzler in Absprache mit den Regierungschef*innen der Länder einberufenen Bildungsgipfel, um gemeinsam mit Vertreter:innen aus Zivilgesellschaft und Bildungspraxis über Auswege aus der Bildungskrise und den Aufbau eines gerechten, inklusiven und zukunftsfähigen Bildungssystems zu diskutieren

Bisher nicht unterzeichnet haben den Appell unter anderem der Deutsche Lehrerverband und der Deutsche Philologenverband.

Den vollständigen Text des Appells und die Liste der bisherigen Unterzeichner lesen Sie hier.