Noch wichtiger als die Neukundschaft war im Corona-Jahr allerdings die Stammkundschaft, die den Slogan "Support your local bookdealer" wörtlich nahm – statt ihren (Lese-)Stoff im Lockdown bei Amazon zu bestellen. Letzteres wäre auch wenig aussichtsreich gewesen, weil der Onlinehändler in der akuten Krise kurzerhand diejenigen Waren priorisierte, die das bessere Geschäft verhießen: Lebensmittel und Hygieneartikel, anders formuliert: Trockenhefe und Toilettenpapier.
Amazons Lieferpolitik spielte am Ende dem Buchhandel in die Hände. Gleichzeitig konnte das Sortiment im Corona-Jahr die Ernte für vorangegangene Investitionen in die Kundenbindung einfahren. Berater Andreas Meyer hat es in einem Börsenblatt-Beitrag vom Dezember 2020 so formuliert: "Die Loyalität der Kunden entstand nicht durch Corona, sondern davor."
Lesungen, Aktionen, intensive Beratung, ein individuelles Sortiment, das sich eben nicht nur auf A- und B-Lieferanten beschränkt – all das, was am Buchhandel gern mal als ineffizient und unwirtschaftlich kritisiert wird, hat sich in der Corona-Krise bezahlt gemacht. Und mit dafür gesorgt, dass die Branche zumindest das Pandemiejahr 2020 ohne allzu tiefe Blessuren übersteht (mehr zu Jahresbilanz hier).
"Ich bin absolut ohne Sorge um meine Firma": Das schrieb die Borgholzhausener Buchhändlerin Martina Bergmann im April-Lockdown hier auf Börsenblatt Online. Wer das damals eher für Chuzpe als für Realitätssinn hielt, wird im Moment von vielen unabhängigen Buchhandlungen eines Besseren belehrt.
Die Filialisten dagegen dürften jede Menge Sorgen haben: Geschäfte in Einkaufszentren und Fußgängerzonen der großen Städte haben stärker unter dem Lockdown gelitten als Läden in Stadtvierteln und Kleinstädten. Media Control fasst dieses Gefälle für die erste Lockdown-Phase in Zahlen: Vom 23. März bis 19. April 2020 konnten die Kleinen immerhin die Hälfte ihrer gewohnten Umsätze retten, bei den größeren Buchhandlungen mit vier und mehr Filialen hingegen brachen die stationären Umsätze um 96,5 Prozent ein. (mehr dazu hier)
Die Bilanz für den zweiten Shutdown dürfte ähnlich ausfallen – schon mit dem "Lockdown light" im November ging die Kundenfrequenz in den Innenstädten empfindlich zurück.