Umfrage des mediacampus frankfurt

So ticken die Nachwuchskräfte im Buchhandel

22. Juni 2023
Redaktion Börsenblatt

Der Fachkräftemangel treibt auch die Buchbranche um. Aus diesem Anlass hat der mediacampus frankfurt in einer Umfrage aktuelle und ehemalige Auszubildende gefragt, ob ihre Erwartungen an den Buchhandel in der Realität erfüllt wurden – und was den Beruf attraktiver machen könnte.

Die Umfrage "Unser Zukunft im Buchhandel" unter aktuellen und ehemaligen Schüler:innen des mediacampus Frankfurt fand vom 16. März bis 3. April 2023 statt. Als Online-Umfrage mittels eines standardisierten Fragebogens, mit Streuung des Umfragelinks über einen Verteiler des mediacampus. 413 Nachwuchskräfte haben mindestens die Hälfte der Fragen beantwortet.

Erarbeitet und durchgeführt wurde die Umfrage von einer Schüler:innen AG am mediacampus Frankfurt, die fachliche Betreuung übernahm Nora Bechler, Referentin Marktforschung beim Börsenverein. Erstmals vorgestellt wurden die Ergebnisse auf dem Libri.Campus.

Ziel war die Erfassung von Bedürfnissen, Werten und Wünschen von Nachwuchskräften im Buchhandel sowie deren Wahrnehmung von Perspektiven in dieser Branche. Gefragt wurde nach Aspekten der Ausbildungswahl, Einstellungen zum Arbeitsleben und deren Umsetzung im Buchhandel, zur Zufriedenheit mit der Arbeitssituation sowie zu Plänen für die Zeit nach der Ausbildung, einschließlich der Attraktivität einer eigenen Buchhandlung.

Dabei zeigten sich Unterschiede bei Auszubildenden bei Filialisten oder im unabhängigen Buchhandel. Als Filialisten sind Buchhandlungen mit vier und mehr Standorten definiert, unabhängige Buchhandlungen sind solche mit bis zu drei Standorten.

Das Hobby zum Beruf machen

Bei den Gründen für die Wahl der Ausbildung gaben 86,9 Prozent der Befragten an: "Ich lese gerne und habe mein Hobby zum Beruf gemacht". An zweiter Stelle wurde genannt, dass es sich um einen abwechslungsreichen Beruf handelt (37,5 Prozent). Zudem wurde der Kontakt mit Kund:innen (33,7 Prozent) hervorgehoben. Für 32,4 Prozent der befragten Nachwuchskräfte dient die Ausbildung als Sprungbrett in die Buchbranche generell.

Auch wenn sicherlich nicht alles perfekt ist in unserem Beruf, ist er für mich doch sehr nah an einem idealen Traumjob dran.

(Stimme aus der Studie: w, geboren 1991)

Zu den Teilnehmer:innen der Umfrage:

Wo wurde die Ausbildung gemacht?

  • Für 81,8 Prozent der Teilnehmer:innen ist oder war der Ausbildungsbetrieb ein Filialist
  • 18,2 Prozent hatten sich eine unabhängige Buchhandlung ausgewählt

44,1 Prozent der Umfrage-Teilnehmer:innen befanden sich noch in Ausbildung. 37,5 Prozent hatten diese abgeschlossen und arbeiten noch im Buchhandel. Den Buchhandel nach ihrer Ausbildung verlassen haben 17,9 Prozent und 0,5 Prozent haben ihre Ausbildung abgebrochen.

Ausbildungsberufe: 94,2 Prozent Buchhändler:in und 5,8 Prozent Kauffrau/-mann im Einzelhandel (im Buchhandel).

Frauen überwiegen

Eine deutliche Mehrheit, nämlich 82,9 Prozent der Befragten, sind Frauen. Der Rest ist männlich (11,4 Prozent) oder Divers (5,7 Prozent)

Alter

93,5 Prozent der Befragten sind 1990 oder später geboren – den höchsten Einzel-Anteil hat der Jahrgang 1999 (12,3 Prozent).

Was haben sie vor der Ausbildung gemacht?

  • 37,5 Prozent haben ihre Ausbildung direkt nach dem Schulabschluss begonnen.
  • Rund 48 Prozent haben davor studiert (dabei: 34,1 Prozent brachen das Studium ab, 13,8 Prozent haben es abgeschlossen).

Zufriedenheit mit der Ausbildungswahl

Fast zwei Drittel, nämlich 63 Prozent der befragten Nachwuchskräfte, würde die Ausbildung (eher) noch einmal wählen – so der Durchschnittswert. Warum? Die Studie führt hierzu O-Töne der Teilnehmer:innen auf: "Oft viel Freude im Arbeitsalltag"; "meine Kolleg:innen sind toll"; "jeden Tag etwas Neues"; "die Möglichkeit, vor Ort etwas zu ändern und verändern".  

Bei Filialisten und unabhängigem Buchhandel weichen die Werte nach unten bzw. oben ab:

  • Filialisten: 61,5 Prozent
  • Unabhängiger Buchhandel: 69,3 Prozent

(Eher) nicht noch einmal diese Ausbildung antreten würden 17,2 Prozent. Ala Gründe werden bei den abgedruckten O-Tönen in der Studie unter anderem geringes Gehalt, schwierige Arbeitszeiten oder das Arbeitspensum genannt. Nach Ausbildungsorten sieht das Ergebnis hier so aus:

  • Filialisten: 19,8 Prozent
  • Unabhängiger Buchhandel: 5,3 Prozent

Damit scheinen die Nachwuchskräfte im unabhängigen Buchhandel zufriedener mit der Wahl ihrer Ausbildung zu sein.

Der Realitätscheck

Ein informativer und wichtiger Teil der Umfrage ist der Abschnitt, in dem die Erwartungen der Teilnehmer:innen an die Ausbildung mit ihrer erfahrenen Realität verglichen wurde – hier zeigen sich mögliche Defizite. Dabei wurden die Diskrepanzen der Erwartungen "sehr wichtig" und "eher wichtig" zur Realität ("voll und ganz" und "eher ja" erfüllt) gemessen. Zwischen Wunsch und Realität zeigen sich teils starke Abweichungen.  

Nahezu allen Befragten (99 Prozent) ist oder war ein angenehmer Umgang im Team sehr wichtig oder eher wichtig – für 77,2 Prozent wurde das "eher ja" oder "voll und ganz" in der Realität umgesetzt. Eine eher geringe Differenz von 21,8 Prozentpunkten zwischen Bedürfnissen und Realität, heißt es in der Umfrage.

Stärker fiel die Diskrepanz etwa bei der Work-Life-Balance (-73,6 Prozentpunkte) oder beim guten Informationsfluss im Betrieb (-67,6 Prozentpunkte) aus. Auch beim Einsatz für Nachhaltigkeit ist klafft eine große Lücke den Erwartungen der Nachwuchskräfte im Buchhandel und der Realität in der Branche (-54,0 Prozentpunkte).

Ein Bewusstsein für mentale Gesundheit ist für 95,4 Prozent der Befragten sehr wichtig oder eher wichtig, aber nur 21,8 Prozent geben an, dass das in ihrem Arbeitsleben überwiegend gegeben ist (-73,6 Prozentpunkte).

Die geringsten Diskrepanzen gab es bei:

  • Spaß an der Arbeit (-27,2 Prozentpunkte)
  • Ältere, erfahrene Mitarbeiter:innen nehmen meine Ideen ernst (-27,7 Prozentpunkte)
  • Ungestörte Pausen (-19,7 Prozentpunkte)
  • Vielfältige Aufgaben (-28,3 Prozentpunkte)
  • Mich in meinem persönlichen Stil frei entfalten zu können (-11,9 Prozentpunkte)
  • Verantwortung übernehmen zu können (-15,5 Prozentpunkte)
  • Moderne technische Ausstattung (-19,6 Prozentpunkte)

Die Möglichkeit zum Home-Office war für 34,1 Prozent der Befragten eher oder sehr wichtig, ausreichend erfüllt sahen das nur 3,4 Prozent.

Es muss sich einiges ändern, damit der Beruf auch in Zukunft noch attraktiv ist. Ich liebe den Job des Buchhändlers sehr, aber wenn ich davon nicht leben kann oder selber kein Leben mehr habe, bringt mir das alles nichts.

(Stimme aus der Umfrage: w, geboren 1993)

Und das Gehalt?

Im Realitätscheck gaben 69,3 Prozent der Befragten an, dass ihnen ein gutes Einkommen eher oder sehr wichtig ist. Nur 9,0 Prozent bewerten das Einkommen im Buchhandel als (eher) gut. Damit bleibt die Diskrepanz zwischen den Erwartungen des Buchhandelsnachwuchses und der Realität hoch, heißt es in der Studie.

Gefragt, was die Arbeit im Buchhandel attraktiver machen würde, gaben nahezu alle Teilnehmer:innen mehr Gehalt an. 70,0 Prozent meinten sogar mehr Gehalt würde es "sehr viel attraktiver" machen. 

Andererseits fanden bei den an anderer Stelle abgefragten Bedürfnissen im Arbeitsleben nur 9,6 Prozent ein gutes Einkommen als einen der wichtigsten Faktoren.

Was könnte den Buchhandel als Berufsfeld attraktiver machen?

Genannt wurden hier neben dem bereits erwähnten Gehalt, folgende Punkte (zusammengerechnete Prozentzahl der Antworten "etwas attraktiver", "viel attraktiver" und "sehr viel attraktiver"):

  • Weniger Stunden, niedrigere Wochenarbeitszeit: 96,4 Prozent
  • Ticket für öffentliche Verkehrsmittel: 91,7 Prozent
  • Buchmesse besuchen zählt als Arbeitszeit, Besuch wird bezahlt: 84,5 Prozent
  • Mehr Mitarbeiter:innen: 86,8 Prozent
  • (Höherer) Mitarbeiter:innenrabatt: 85,7 Prozent
  • Betriebssport: 29,3 Prozent

Fazit: Arbeitssituation im Buchhandel

Bei der Frage nach der Arbeitssituation im Buchhandel allgemein gaben 48,8 Prozent der Befragten an, dass sie damit eher zufrieden sind oder waren. (Eher) unzufrieden waren dagegen 31,9 Prozent, dabei "völlig unzufrieden" allerdings lediglich 4,6 Prozent.

Ich arbeite gerne selbständig im meiner Buchhandlung und habe jeden Tag Freude daran, den Laden aufzusperren und Kunden zu beraten.

(Stimme aus der Umfrage: m, geboren 1993)

Ist die eigene Buchhandlung eine Option?

Einmal eine eigene Buchhandlung führen, wer unter den Teilnehmer:innen hat dies im Kopf? Insgesamt könnten sich das 27,9 Prozent der Befragten vorstellen – Unterschiede zeigen sich hier wieder zwischen Auszubildenden bei Filialisten und im unabhängigen Buchhandel:

  • Filialisten: 26,4 Prozent
  • Unabhängiger Buchhandel: 34,3 Prozent

Als größte Hürde für eine eigene Buchhandlung sehen 66,5 Prozent der Gründungswilligen fehlendes Kapital, zudem erscheint das Risiko zu hoch (58,4 Prozent) oder man möchte erst noch mehr Erfahrung sammeln (51,3 Prozent).

Eher keine eigene Buchhandlung wollen insgesamt 47,4 Prozent haben, dabei Auszubildende bei Filialisten 50,6 Prozent und im unabhängigen Buchhandel 32,9 Prozent. Von denen, die (eher) kein Interesse an einer eigenen Buchhandlung haben, scheuen sich 39,6 Prozent vor zu viel Verantwortung, und 30,8 Prozent meinen, solch eine Führungsposition sei nichts für sie.

Ist eine längere Zukunft im Buchhandel geplant?

Rund 31,2 Prozent der Befragten sehen sich in fünf Jahren noch im Buchhandel, mit "vielleicht" antworten 43,6 Prozent. Auch hier zeigen sich wieder Differenzen zwischen Auszubildenden bei Filialisten (Ja: 29,8 Prozent; Vielleicht: 42,5 Prozent) und beim unabhängigen Buchhandel (Ja: 37,1 Prozent; Vielleicht: 48,6 Prozent).

Das ist nur ein kleiner Ausschnitt aus der Studie. Die detaillierten Ergebnisse und viele weitere Stimmen der Teilnehmer:innen finden Sie in der kompletten Studie, unten als Download.