"Im Schnee"
Tommie Goerz erzählt in seinem berührenden Roman "Im Schnee" (Piper) von der Schönheit und der Härte des einfachen Lebens, von der Gnade einer lebenslangen Freundschaft und von dörflichen Strukturen, die langsam verschwinden.
Tommie Goerz erzählt in seinem berührenden Roman "Im Schnee" (Piper) von der Schönheit und der Härte des einfachen Lebens, von der Gnade einer lebenslangen Freundschaft und von dörflichen Strukturen, die langsam verschwinden.
Es hat geschneit, der Bauer Max steht am Fenster und beobachtet das Fallen der Schneeflocken. Da dringt das Läuten des Totenglöckchens durch die Stille und die Welt ist eine andere: Schorsch ist gestorben.
Tommie Goerz entführt seine Leserinnen und Leser in seinem Roman "Im Schnee" in das oberfränkische Dorf Austhal, ein fiktives Dorf, das vielen Dörfern heute ähnelt. Max ist alt, sein Leben als Bauer war einfach und hart und auch voller Schönheit und Verbundenheit, mit der Natur und den Menschen im Dorf. Austhal hat sich verändert, sinniert Max: Statt eines Ladens, eines Bäckers und Metzgers gibt es nun ein Neubaugebiet und die Menschen fahren zum Einkaufen hinaus aus dem Dorf. Der Schmied, der Schuster, drei Wirtshäuser, der Wagner, der Daubner und der Korbflechter haben schon viel früher aufgegeben. Und nun gibt es auch Schorsch nicht mehr, seinen Freund.
Max macht sich am Abend auf zur Totenwacht, wo die Alten zusammenkommen, um des Verstorbenen zu gedenken und sich zu erinnern – bis Mitternacht die Männer, danach die Frauen, wie es der alte Brauch verlangt. Nur Max bleibt an diesem Abend nach Mitternacht bei den Frauen sitzen. Das hat er schon oft so gemacht, sonst immer gemeinsam mit Schorsch. Die Frauen hatten nie etwas dagegen. Sie waren eben nicht "so laut und nicht so ruppig" wie die anderen Männer. Auch das Besenbinden und Kerzengießen und das Buttern hatten Schorsch und Max gemeinsam mit den Frauen organisiert. Und nun liegt Schorsch aufgebahrt auf dem Sofa, den guten Anzug trägt er noch nicht und Max trinkt einen Schnaps.
Auf dem Dorf sind Menschen die Konstanten, und neben den Menschen sind es die Rituale und die Erinnerungen. Wenn einer der Alten stirbt, nimmt er viel davon mit. Mit Schorsch ist nun einer gestorben, der für Max sehr viel mitnimmt und die Lesenden trauern mit ihm, berührt und voller Freude. Denn Tommie Goerz schreibt in einem stillen, sanften Ton, der die Uhren stillstehen lässt, so wie eigentlich nur der Schnee und der Tod es sonst können. Und in die Stille hinein klingt die Schönheit der vielen gemeinsamen Erinnerungen an ein langes, erfülltes Leben.
Max und Schorsch, der eigentlich Georg hieß, waren fast wie Geschwister, schon als Kinder waren sie eng befreundet. In leisem Gespräch erinnert man sich in den Stunden der Totenwache an gemeinsam Erlebtes, an Komisches und Trauriges. Und sie erzählen auch von der Enge im Dorf und dem eisigen Schweigen. "Erst im Morgengrauen kehrt Max nach Hause zurück. Im Licht des neuen Tages ist ihm klar: Nichts davon wird wiederkommen. Nur die Erinnerungen an dieses Leben bleiben, solange er da ist..."
Tommie Goerz, als Krimiautor bekannt, begeisterte schon mit seinem literarischen Debüt "Im Tal" (2023) das Publikum. Mit "Im Schnee" hat er nun sein Meisterwerk geschrieben – unaufgeregt und von stiller Schönheit.
Im Schnee
Tommie Goerz
22,00 € (DE)
ISBN 978-3-492-07348-6
176 Seiten
Piper