"Das kleine Geheimnis des urigen Kunststoffhundes auf der Kasse kennen nur Eingeweihte", steigt Jens Meyer-Odewald in sein Porträt "Besondere Bücher an einem besonderen Ort" ein, das am 3. Juli im Hamburger Abendblatt erschienen ist – und hinter einer Zahlschranke zu lesen ist. "Der putzige, pinkfarbene Pudel verfügt über die spielerische Begabung, mit dem Kopf wackeln zu können. Auch das unterscheidet ihn von seiner Besitzerin. Stephanie Krawehl ist eine selbstbewusste Persönlichkeit, die einen aufrechten Gang bevorzugt – in jeder Lage. Den Begriff Dickschädel empfindet sie keinesfalls als Beleidigung. Ihre Buchhandlung führt sie nach ureigener Façon." Weil das Gebäude historisch vorbelastet ist, sollte hier kein Mainstream einziehen.
Die unkonvetionelle Buchhandlung mit dem Namen "Lesesaal", gelegen auf dem denkmalgeschützten Gelände des früheren Gestapo-Hauptquartiers der Nazis, erfordere ein passendes, würdiges Konzept, so Meyer-Odewald. Neben einer klassischen Buchhandlung gebe es ein Café sowie einen Erinnerungsort als Gedenkstätte. Insbesondere kleine, unabhängige Verlage, politische Inhalte, Frauenthemen seien präsent – alles andere sei zügig bestellbar. Die Stammkundschaft wisse diese Note zu schätzen.
Meyer-Odewald schildert den Weg Krawehls, eigentlich eine ausgebildete, dreisprachige "Europasekretärin", zur Buchhändlerin. Dabei geht es auch um schwierige Phasen, etwa einen Burn out, den die heute 57-Jährige vor 20 Jahren als alleinerziehende Mutter erlitt – den 11. September 2001 erlebte sie in einer Klinik. "Der Kraftakt, sich aus den psychischen Fesseln zu befreien, machte sie dauerhaft stark", so Meyer-Odewald. "Letztlich kommt man mit allem klar, wenn man weiß, dass man auf dem richtigen Weg ist", zitiert der Autor Krawehl.
Die Liebe zu Büchern hat sie schon seit ihrer Kindheit in Blankenese begleitet. In der Wohnung der Eltern standen in jedem Zimmer Bücher, in der Buchhandlung Kötz in den Elbvororten durften sie und ihre Schwester nach Herzenslust stöbern – das hatte ihr Vater arrangiert.