MEINUNG Martina Bergmann, Borgholzhausen

Gönnt den Kleinen doch ihren Erfolg!

29. Juli 2020
Martina Bergmann

Martina Bergmann, Buchhändlerin und Verlegerin aus Borgholzhausen, freut sich über den Erfolg des unabhängigen Buchhandels in der Corona-Krise - und den damit verbundenen Wegfall der "Verniedlichung ihrer Existenz". Die Neider sollten jetzt mal Pause haben, meint sie. 

Den kleinen Buchhandlungen geht es gerade gut. Das ist schön für jede einzelne dieser Firmen und hilft im Großen doch nicht. Denn natürlich verkaufen wir nicht die Stückzahlen, die in den Buchwarenhäusern normalerweise abfließen. Eine Binse ist das, simpel.

Wir müssen auch keine Innenstadtmieten bezahlen, selten große Kredite zurückführen, und unsere Mitarbeiter*innen, sofern wir welche haben, gehören wie wir selbst nicht zu den Spitzenverdienern dieser Branche. In einer Krise hilft das viel. Zumal, wenn es für uns eigentlich keine ist, denn die Kunden sind ja hier. Sie fahren nicht so viel in die Ferien wie sonst, sie gehen nicht gern shoppen, verkehren gastronomisch wenig. Sie tragen ihr Geld in den inhabergeführten Buchhandel und sind sogar netter als zuvor.  

Verniedlichung der buchhändlerischen Existenz

Der Hochmut ist weg. Man stand sonst manchmal wie ein Gartenzwerg in seiner Ware, wurde freundlich betrachtet, ach ja, die Buchhändlerin. Putzig. Und dann das Lädchen, allerliebst. Ich habe das verabscheut, all die Jahre. Ich mochte immer mal irgendetwas oder jemand nicht - Genossenschaftsvorsitzende, Berater, Self Publisher; was weiß ich. Aber das waren vorüberziehende Wolken von Verdruss. 

Nichts mochte ich jedoch dauerhaft weniger als die Verniedlichung meiner Existenz. Ich habe das ertragen, weil meine Kernkundschaft eben nicht so ist. Die sind robust und herzlich, sie kaufen natürlich bei mir, weil ich ja ihre Buchhändlerin bin. Ich habe das aber auch ertragen, weil ich immer meinte, hinter diesem Tun steckt bei mir ein Plan. Überheblichkeit aus der Festanstellung heraus ist kein Plan.  

Man stand sonst manchmal wie ein Gartenzwerg in seiner Ware, wurde freundlich betrachtet, ach ja, die Buchhändlerin. Putzig.

Es wird kein freundlicher Herbst

Und nun ist da eine Krise. Wie es dem Filialbuchhandel darin ergeht, kann ich schlecht abschätzen. Das ist zu weit von mir, in jedweder betriebswirtschaftlichen Hinsicht. Ich hoffe, es geht nicht zu schlecht. In den großen Unternehmen sind sehr viele Kollegen sozialversicherungspflichtig beschäftigt, die bei uns anderen kein Auskommen hätten. Ob es den Verlagen gut ergeht, weiß ich genauso wenig. Ich wünsche es ihnen. Ich bin mehrmals haarscharf an der Wand entlang mit meiner Firma, und schön ist das nicht. 

Banken halten Einzelhandel wie auch kreative Gewerbe, worunter wohl Verlage zählen, für keine besonders seriösen Geschäftspartner, und Banken lassen einen sowas hässlich spüren. Das alles ist so, und deswegen wird es wohl kein freundlicher Herbst. 

Es gibt vieles, was den Kleinen fehlt

Ich würde es trotzdem begrüßen, wenn die größeren Player in der Krise gönnten, dass wir Inhaber im Sortiment vergleichsweise solide dastehen. Ich war mir anfangs gar nicht sicher, ob das hält mit den Neukunden, ob sie nicht zügig wieder verschwinden, in die Innenstädte und ins Netz. Es gibt dort zweifelsohne vieles, was den kleinen Firmen fehlt und immer fehlen wird. Die schiere Menge, das jederzeitig Erreichbare. Es fehlen die Kaffeebars mit den Spezialitäten, und bei den E-Book-Readern macht Thalia keiner etwas vor. Von der Bequemlichkeit von Amazon will ich nicht reden; das ist ein viel zu weites Feld.  

Es scheint nun aber wirklich, dass ein für uns relevanter Teil wohl bleibt,weil wir stoisch, wenn auch unter Ächzen, die zügige Beschaffung, eine wenigstens breite Auswahl und eben Kompetenz und Meinung vorgehalten haben.Ich dachte oft, gerade während des Lockdowns, was bin ich dankbar für mein Barsortiment und seine eigene Logistik.

Es scheint nun aber wirklich, dass ein für uns relevanter Teil wohl bleibt, weil wir stoisch, wenn auch unter Ächzen, die zügige Beschaffung, eine wenigstens breite Auswahl und eben Kompetenz und Meinung vorgehalten haben. 

Neid gehört sich nicht

Wie ich eingangs sagte: Das hilft dem großen Ganzen allenfalls atmosphärisch. Uns die relativ gute Lage aber nicht zu gönnen, wäre blöd. Ich meine damit zum einen die schnippischen Reaktionen auf kleine Leuchtfeuer des Optimismus.Verdrossene Kunden können das derzeit genauso wie Verlagsangestellte und Medienleute, denen das Home Office nicht bekommt. Politiker, die keine Sommertouren abhalten können und sich in Kulturpessimismus ergehen. Kein mitleidiges Lächeln für die Buchhändlerin diese Saison, und ich entbehre das nicht. 

Ich meine außerdem: Es wird erstens dadurch für keinen anderen besser, dass ich auch noch leide. Zweitens ist die relative Krisenfestigkeit der Peripherie auch ein Resultat von sehr viel politisch gewolltem Lobbyismus. Ich fühlte mich 2015 auf der Bühne beim Buchhandlungspreis wie ein Gartenzwerg exakt wie bei den studierten Kundenkindern, die aus Berlin einschweben, zweimal jährlich, und mich niedlich finden. Wie gesagt, ich ertrage das nicht gut. Aber für die Sichtbarkeit der sortimenterischen Kleingartenkultur war allerlei Zeremoniell eindeutig von Vorteil. Viel hat hier wirklich viel geholfen. Und drittens: Es gehört sich nicht. Es gehört sich, dass man gönnt.