Louis Miethe Buchhandlung in Leipzig

Flashmobartige Szenen vor Schließung

28. Februar 2024
Nils Kahlefendt

Kauf vor Ort, sonst ist er fort: In der Leipziger Arthur-Hoffmann-Straße hat Andreas Bode nach 25 Jahren zugesperrt.

Ein Bericht der lokalen „Leipziger Volkszeitung“ über den Ausverkauf zum Ende der Buchhandlung „Louis Miethe“ sorgte am Samstag im Ladengeschäft von Andreas Bode für flashmobartige Szenen. Das Geschäft, in dem man sich in Leipzig ein wenig in die Welt von Kempowskis „Tadellöser & Wolff“ beamen konnte, drohte partiell aus allen Nähten zu platzen. „Wenn die Leute allerdings erst kommen, wenn die Prozentzeichen im Schaufenster zu sehen sind, sagt das recht viel über unsere Gesellschaft.“ Doch: Der 68-Jährige sperrt sein Geschäft zwar mit einem Schuss Wehmut, doch ohne Groll zu. „Wenn die Woche rum ist, setze ich mich mit einer Flasche Champagner in den Strandkorb“, diktierte Bode der LVZ in den Block. Das sollte man nicht wörtlich nehmen, allerdings macht der Buchhändler kein Hehl daraus, dass für ihn auch eine Last abfällt.

Die Buchhandlung in der Nähe des Bayerischen Bahnhofs mit gediegenem Manufactum-Charme und ambitioniertem Programm eröffnete Andreas Bode 1999, damals war er als Vertreter für Brockhaus, Langenscheidt und Duden unterwegs und arbeitete mit einer angestellten Buchhändlerin zusammen. Das Haus gehört der Familie; der Namenspatron, Bodes Ur-Urgroßvater, betrieb mit einem Kompagnon eine Firma für Eisenwaren, Armaturen und Sanitäranlagen – der Schriftzug lässt sich noch an der Fassade des Nachbarhauses bestaunen.

Seit 2010 stand Bode selbst hinter der Ladenkasse; im kommenden September hätte er als Sortimenter das Vierteljahrhundert vollgemacht. Dass er nun, früher als geplant, die Reißleine gezogen hat, ist einem ganzen Ursachenbündel geschuldet: Da ist zum einen der – durch Corona noch verstärkte - Siegeszug des Online-Handels. Zum anderen ist die eigentlich innenstadtnahe Lage in den Jahrzehnten nach der Wende immer unattraktiver geworden: Wo, wie Bode schwärmerisch erinnert, einstmals eine Fleischerei, ein Fahrradladen und ein Papiergeschäft Kunden lockten, wurden gesichtslose, inzwischen zum Teil leerstehende Rendite-Objekte hochgezogen, architektonisch erinnert der nördliche Teil der Arthur-Hoffmann-Straße schon länger an Edgar Wallaces „Tote Augen von London“.

Wenn man Andreas Bode künftig etwas häufiger in einem Strandkorb auf Hiddensee antrifft, sind dafür in Tateinheit das Ende der gedruckten Nachschlagewerke, die Digitalisierung und eine verfehlte Stadtteilplanung zu beklagen. Aber bitte: Keine Krokodilstränen! Für den Ex-Vertreter und Ex-Buchhändler endet der zwangsweise Blick auf eine triste Betonwand. Und das sind ausnahmsweise gute Aussichten.