Auch nach den sehr hilfreichen Erwiderungen von Matthias Ulmer und Jens Bartsch scheint es mir doch notwendig, den Beitrag von Herrn Riethmüller aus Sortimentersicht in aller Ausführlichkeit als das zu entlarven, was er ist: eine irreführende und unfassbar schlecht argumentierende Rechtfertigung für die Aushöhlung der Buchpreisbindung.
Aus gutem Grund will ich den Text von hinten aufrollen und zitiere aus dem 3. Unterpunkt:
Das "unabhängige Sortiment" kann sich in branchenübergreifenden Lobeshymnen baden, wonach die inhabergeführten kleinen Buchhandlungen in Coronazeiten mit kreativen Ideen ihre Umsätze halten oder sogar verbessern konnten, während die großen Filialketten Umsätze verloren haben. Dieser Befund hält einer Überprüfung nicht stand.
Anschließend führt Herr Riethmüller einige Osiander-Filialen an, die im November 2020 tatsächlich Umsatzzuwächse von bis zu 27% erzielt haben – was er auf deren Lage außerhalb von Einkaufs- und Tourismuszentren zurückführt. Wenn ich jetzt preisgebe, dass meine kleine Kölner Vorortbuchhandlung im selben Monat 44% Barumsatzzuwachs hatte, relativiert das die Osiander-Zahlen schon mal etwas.
Wenn man bedenkt, dass der November vermutlich auch deshalb sehr stark war, da viele Kundinnen und Kunden in weiser Voraussicht des zweiten Lockdowns ihre Weihnachtseinkäufe vorgezogen haben, wäre doch interessanter gewesen, November und Dezember in der Zusammenschau zu betrachten. Bei uns gab es dann immer noch ein sattes Plus von 33%.
Und wieso überhaupt November? Die Lobeshymnen setzten ja nicht erst zum Jahresende ein. Was ist mit den Monaten März und April? Da haben wir in der Zusammenschau 2020 über 80% mehr Umsatz gehabt (davon vier Wochen nur mit Auslieferung) – und konnten das irrwitzig hohe Umsatzniveau 2021 sogar nochmal leicht übertreffen. Ist das alles sonderlich aussagekräftig? Natürlich nicht! Genauso wie die Osiander-Zahlen herausgepickt wurden, um uns zu beeindrucken, so kann ich mit meinen Zahlen prahlen, ohne dass damit ernsthaft etwas über die Lage des unabhängigen Buchhandels im Allgemeinen gesagt wäre.
Ich halte es aber weiter für denkbar, dass jenseits des Lage-Aspekts durchaus auch Faktoren wie Flexibilität, Kreativität und Aufopferungsbereitschaft im Team der jeweiligen Buchhandlung eine Rolle dabei gespielt haben, wohin die Kunden (ab-)gewandert sind – widerlegt wird das durch Herrn Riethmüllers "Überprüfung" jedenfalls in keinster Weise.
Audführlicher habe ich das in meinem Beitrag vom 7. Januar beschrieben. (https://www.boersenblatt.net/news/buchhandel-news/tabubruch-160731?products%5B0%5D=0&voucher=)