Wieder einmal droht der Untergang des Abendlands. Gerhard Beckmann hat Ende letzten Jahres zur Kooperation von Osiander und Thalia eine "Brandrede" verfasst, die in einer dramatischen Zuspitzung gipfelt: "An der Lösung der Probleme, welche diese Geschichte aufwirft, hängt die Zukunft des deutschen Buchhandels, der deutschen Verlage, Autoren, Übersetzer und der Lesekultur des deutschen Publikums." Anfang Februar 2021 wiederholte Beckmann seine Vorwürfe in einem Offenen Brief an den Präsidenten des Bundeskartellamts Andreas Mundt mit etwas weniger Schaum vor dem Mund.
Widerspruch gegen die Anschuldigungen des Altverlegers und Publizisten erhob sich nicht, weder von Seiten des Sortiments noch aus dem verlegerischen Kollegenkreis, obwohl Brandrede und Brief in den buchhändlerischen Medien prominent platziert waren – ein Zeichen allgemeiner Zustimmung oder angemessene Nicht-Reaktion auf abstruse Thesen? Weil Beckmann in Aufsatz und Brief Auffassungen bündelt, die branchenpolitisch wie auch buchhandelsgeschichtlich gängige Klischees bedienen, halte ich es durchaus für reizvoll, seine inhaltliche Argumentation ein klein wenig unter die Lupe zu nehmen.
Die Argumentationskette von Gerhard Beckmann kann "wutbereinigt" in vier Thesen zusammengefasst werden:
- Die Großfilialisten bündeln eine Marktmacht, die eine "Art Monopol" gegenüber den Verlagen schafft.
- Amazon ist auf dem deutschen Markt schwach, weil die unabhängigen Buchhandlungen stark sind.
- Die herausragenden Innovationsleistungen der Barsortimente sind verantwortlich dafür, dass es der deutsche Buchhandel "im Dienst am Kunden mit Amazon aufnehmen kann".
- Die Stärke des deutschen Buchhandels ist das Verdienst des unabhängigen Sortiments, den Großfilialisten fehlt eine aktiv kunden- und leserbezogene buchhändlerische Orientierung.
Das Bemerkenswerte an diesen Thesen ist weniger, dass sie schlicht falsch sind, sondern dass sie dem deutschen Buchmarkt vorgaukeln, eigentlich sei alles in schönster Ordnung, wenn da nur nicht ein paar Störenfriede mit ihrer Marktmacht das bewährte Geschäftsmodell in Frage stellen würden.
Im Buchhandel hat diese Argumentation Tradition. Das Ende des Buchhandels wurde schon beschworen, als die Leipziger Großbuchhändler Mitte des 18. Jahrhunderts den "Nettohandel" einführten und damit dem "Tauschhandel" den Todesstoß versetzten. Im 19. Jahrhundert wehrten sich die Buchhandlungen gegen eine zunehmend demokratisierte und kommerzialisierte Medienlandschaft, die das überkommene Geschäftsmodell durch hemmungslosen Nachdruck, Leihbüchereien, Direktvertrieb von Groschenliteratur und "Schleuderei" gefährdete. Und nach dem Zweiten Weltkrieg drohte das Ende der Buchkultur zunächst durch Buchgemeinschaften, dann durch das Taschenbuch. Innovationen auf dem Buchmarkt wurden zunächst meist als Tabubruch empfunden, weil sie die überkommenen Traditionen und damit das Auskommen der bisherigen Nutznießer in Frage stellten.
an anderer Stelle im Börsenblatt sind Ihnen von Herrn Ulmer einige Fragen gestellt und einige Einsprüche und Antworten gegeben worden, die auch mir in ähnlicher Form unter den Nägeln brannten.
Ich möchte aber noch eine Anmerkung hinzufügen: Ihr Beitrag ist mit „Eine Lanze für das Sortiment“ überschrieben, was ich in dieser Form nur höchst ungern stehen lassen möchte, weil es etwas Falsches suggeriert. Das EINE Sortiment gibt es schlicht und ergreifend nicht; und dies erst recht nicht, wenn ein Teil des Sortiments sich und das ganze System „Deutscher Buchhandel“ durch einen anderen Teil des Sortiments unlauter ausgebremst, ausgenutzt und bedroht sieht. Weder Sie und so gar nicht Herr Busch sprechen stellvertretend für DAS Sortiment, auch wenn der Zweitgenannte dies gerne und oft für sich in Anspruch nimmt. Sie sprechen in Ihrem Beitrag für sich und eine bestimmte Sortimentsgröße, was selbstverständlich legitim ist, denn andere tun dies mit anderen Größenordnungen auch. Aber es hilft eben nicht, die dazwischen verlaufende Bruchstelle so nonchalant zu überspielen, indem Sie statt der Ihrerseits genannten Lupe tatsächlich die Lage solange hochjazzen, bis als Gesamtbild nur noch DAS Sortiment übrigbleibt.
Aktuell schaut es unserem Eindruck nach nämlich so aus, dass in unserer Branche Gewinne gerne kapitalisiert werden (das ist legitim und auch Sinn der Übung), eigene Verluste hingegen auf dem Rücken anderer Marktbeteiligter unserer Branche sozialisiert werden. Zumindest unsere Sortimentsgröße sieht diesbezüglich ganz extremen Gesprächsbedarf, sieht Herrn Beckmanns Thesen mit ganz anderen Augen und stimmt diesen in ganz vielen Punkten, dies haben Sie richtig erkannt, durchaus zu.
Freundlicher Gruß aus Köln
Jens Bartsch – Buchhandlung Goltsteinstraße
Weil am Rhein (alemannisch Wiil am Rhii), 30.150 Einw., ist heute ein direkt an die Schweizer Großstadt Basel angrenzender und in deren Nahverkehrssystem eingebundener Vorort und somit Teil der trinationalen Agglomeration Basel mit rund 830.000 Einwohnern; somit ist es auch Teil der Metropolregion Basel mit den rund 1,3 Millionen Einwohnern.
Bad Säckingen, 17.508 Einw., liegt am Hochrhein, der hier die Grenze zur Schweiz bildet. Die Stadt befindet sich am südlichen Rand des Hotzenwalds, der der südliche Ausläufer des Schwarzwalds ist. Zur Stadt gehört auch ein Teil der Fridolininsel im Rhein, deren Territoriumszugehörigkeit lange ungeklärt war. 2013 wurde in einem neuen Staatsvertrag festgelegt, dass sie künftig zu Deutschland gehören soll.
Ihre Behauptung, dass es die Barsortimente bis heute nicht geschafft haben, ein gemeinsames Logistik-Konzept zu entwickeln ist definitiv falsch. Auf unsere Initiative hin wurde Anfang 2017 eine Transportkooperation mit KNV gestartet, die leider aus bekannten Gründen zum 30. April 2019 von uns wieder gekündigt werden musste. Innerhalb weniger Tage haben wir es geschafft, wieder eine funktionierende Umbreit-Logistik aufzubauen, die Ihr Unternehmen wegen Qualitätsproblemen mit Ihrem bisherigen Dienstleister sehr gerne in Anspruch genommen hat und zur Zeit noch nimmt. Diese Thematik hat in unserem Haus weiterhin größte Priorität und wird weiterverfolgt. Im Börsenblatt, Heft 42 vom 16.10.2019 dürfen Sie meine Ideen zur Branchenlogistik gerne nachlesen.
Freundliche Grüße
Clemens Birk