Ehrlich gesagt, ich wartete auf den Lockdown. Ich wollte echt nicht angesteckt werden von wem auch immer, der mir vor lauter Einsamkeit das Virus an den Hals umarmt. Dazu begab es sich, dass der Heimatverein in einem seltenen Akt von Heldenhaftigkeit sich seines Vorsitzenden entledigen wollte. Man muss dazu wissen, dass Heimatvereine an sich viel friedlicher sind als ich. Das Durchschnittsalter beträgt etwa 73 Jahre, und man kann seinen Mitgliedsbeitrag durch Fensterputzen am Heimathaus entrichten. Wenn diese Leute mutig werden, muss ich sie natürlich unterstützen. Aus Prinzip, und in diesem Fall auch inhaltlich. Heimatvereine sind weder am Kopf noch an den Wurzeln auch nur bräunlich.
In diesen emotionalen Überdruck hängte jemand einen Engel. Es war der letzte Tag vor dem Lockdown, und ich konnte schon mittags nur noch krächzen. Aber ein Engel hing zwischen den ganzen Sternen, wirklich ein schöner Engel. Kleiner Kugelkopf aus Holz, die Flügelchen und der Körper sorgsam gefaltet, der Faden goldig. Ich fragte die Mitarbeiterin, von wem er sei, und sie meinte, keine Ahnung. Poste ihn doch, und vielleicht meldet sich wer. Ich hatte Zweifel, denn wer Engel faltet, ist nicht unbedingt bei Instagram. Ich dachte, für mich, das ist einfach der Engel, der vorbeikommt. Es gibt im Französischen den Ausdruck "un ange passe", und das heißt so ungefähr: Schweigen, weil keinem das rechte Wort einfällt.