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„Das kleine Haus am Sonnenhang“: Von der Fülle eines zufriedenen Lebens

25. Januar 2024
Redaktion Börsenblatt

Alex Capus ist ein Meister der Leichtigkeit. Sein neuer Roman „Das kleine Haus am Sonnenhang“ erzählt seine persönliche Geschichte – von einem einsam stehenden Steinhaus am Sonnenhang eines italienischen Weinbergs, langen Sommern und stillen Wintern, von Rotwein, dem Schreiben und der Fülle eines zufriedenen Lebens.

Es sind die neunziger Jahre in Italien. Alex Capus, 1961 in der Normandie geboren, bezieht ein einsam stehendes Steinhaus am Sonnenhang eines Weinbergs unweit eines kleinen Dorfs. Im Winter schwillt der Fluss derart an, dass der Weg zur Hauptstraße nicht mehr passierbar ist. Im Sommer zirpen die Grillen und die Glühwürmchen leuchten. Capus verbringt viel Zeit in diesem kleinen Idyll, im Sommer mit seiner Freundin, Besitzerin eines gelben Renault 4, und vielen Freunden. Dann werden Schaukelstuhlrennen auf den Terrassen veranstaltet, Schießwettbewerbe mit dem rostigen Luftgewehr und abendliche Gesangsfeste. Nach ihrer Abreise genießt er die Einsamkeit und widmet sich dem Schreiben seines ersten Romans.

 

Was macht ein zufriedenes Leben aus? Dieser Frage spürt der Autor nach. Sind die Männer, die täglich in der kleinen Bar Da Pierluigi sitzen, zufrieden? Alex Capus nimmt seine Leser mit in das kleine italienische Lokal der 90er Jahre, mit seinen hohen Schaufenstern, einer Glastür mit ausgeleierter Klinke, mit kleinen runden Bistrotischen, unbequemen Stühlen, Neonleuchten und einer kleinen familiären Gemeinschaft, die einander gut im Blick hat. „Ich kann nicht sagen, dass Da Pierluigi meine Lieblingsbar war. Es war einfach die Bar, in die ich ging. Ich wusste zwar, dass es im Städtchen noch drei oder vier andere Bars gab, die sich vermutlich nicht fundamental von Pierluigis unterschieden. Aber da ging ich nicht hin. Nicht, wenn Pierluigi offen hatte. Und Pierluigi hatte immer offen“. Der Schweizer wird für eine Weile zum akzeptierten Bestandteil des dörflichen Lebens, erlebt kleine Krisen und den Gleichklang der Tage – und mit ihm auch die Leserinnen und Leser seines Romans heute.

Alex Capus

Capus wäre nicht Capus, wenn die Leichtigkeit des Schreibens nicht immer auch auf die Tiefe des Lebens verwiese. Rückblickend, so schreibt der Autor, wundere er sich über den Namen des örtlichen Tankwarts Walther, der sich abends so gut gekleidet im Pierluigis aufhielt. Es sei nicht leicht, heute noch etwas zu seiner für die Gegend außergewöhnlichen Namensgebung herauszufinden. Die Zeit dränge, so Capus, und sinniert über die Vergänglichkeit. Bei seiner Arbeit als Erzähler, so Capus, wundere er sich immer wieder, wie wenige Spuren wir hinterlassen in der Zeit, die uns gegeben ist. „Über kurz oder lang wird Walthers Andenken erlöschen, das ist der Lauf der Dinge. Er wird – wie wir alle – zurückkehren ins namenlose Dunkel, aus dem er für die Dauer seines Lebens aufgetaucht ist. Dann wird es egal sein, weshalb er so geheißen hat. Es wird sich erledigt haben. Langfristig erledigt sich alles auf der Welt.“ Was, je nach Lebenssituation, so bedrohlich wie tröstlich sein kann.

Doch meistens streift Capus mit seinen Lesern durch nach Kräutern duftende Sommer-Erinnerungen, an Spaghetti al aglio, olio und Barbera, Flussgeplätscher und Dorfgeschichten. Manchmal gleitet er auch durch Jahrzehnte hindurch bis ins Heute, wo die Besitzerin des gelben Renault 4 längst seine Frau und Capus selbst ein renommierter Autor geworden ist und schon viele Bücher veröffentlicht hat. Gemeinsam haben sie fünf Söhne großgezogen, das Leben hat sich verändert – die Macken seien aber geblieben, so Capus.

Während der Schriftsteller verlässliche Rituale, wie z.B. seine Pizza Fiorentina – „Mit Knoblauch, wenn’s geht“ – liebt, sehnt seine Frau Nadja sich nach Abwechslung. »Sensation Seeking« lautet seine Diagnose. „Nicht nur, dass sie ständig Jagd nach immer neuen Pizza-Varietäten macht, wir müssen auch immerzu das Lokal wechseln; als ob wir auf der Flucht wären.“ Capus versteht es, die kleinen menschlichen Schrullen, auch die eigenen, mit liebevollem Witz und exakter Beobachtungsgabe zu schildern.

Sein Anspruch an sich ist hoch: „Es ist für mich von existentieller Bedeutung, dass mir meine Leserschaft gebannt folgt“, schreibt er. „Denn als Autor“, so Capus, „bin ich wie alle Erzähler verwundbar.“ Er muss sich keine Sorgen machen: „Das kleine Haus am Sonnenhang“ legt niemand gern wieder aus der Hand, bevor die letzte Seite gelesen ist. Es ist ein Buch, das seine Leserinnen und Leser beschwingt und berührt zurücklässt – mit einer leichten Sehnsucht nach Sommerfülle und Rotwein.

 

Alex Capus
Das kleine Haus am Sonnenhang
160 Seiten 
€ 22,– [D]
HANSER