Das Beste aus der Buchbranche!
Corona nervt, ist aber nicht alles: Dieser Jahresrückblick konzentriert sich auf die guten Nachrichten der vergangenen zwölf Monate. Ja, die gab’s. Und nicht zu knapp.
Corona nervt, ist aber nicht alles: Dieser Jahresrückblick konzentriert sich auf die guten Nachrichten der vergangenen zwölf Monate. Ja, die gab’s. Und nicht zu knapp.
Buchhandlungen werden dem »Einzelhandel des täglichen Bedarfs« zugerechnet. Als dann im April die Bundes-Notbremse gezogen werden musste, war das Durcheinander auf Länderebene zwar trotzdem ziemlich groß, aber dass die Buchkultur als unentbehrlich für den Alltag der Menschen erkannt wurde – das ist einfach großartig. Pandemie hin oder her.
Die US-amerikanische Lyrikerin Amanda Gorman (23) hat für die Amtseinführung von Joe Biden am
20. Januar ein Gedicht verfasst und als »Inaugural Poet« rezitiert – diese Ehre hatten erst fünf Poeten vor ihr. Gorman erntete weltweit großes Lob, und auch in Deutschland stand danach endlich mal wieder Lyrik auf der Bestsellerliste: Die zweisprachige Ausgabe von Gormans Gedicht »The Hill We Climb. Den Hügel hinauf« (Hoffmann und Campe) hat es in den Jahrescharts 2021 weit, weit nach oben geschafft. Dass ausgiebig über die Frage der Übersetzung debattiert wurde, dürfte dem Verkauf nicht geschadet haben.
Der unabhängige Buchhandell im ganzen Land erfährt weiter viel Solidarität von seinen Kund:innen, ist aktiv und kreativ – vom Buchautomat bis zur Facetime-Beratung am Regal wurde an den Services gefeilt. Das hat sich bezahlt gemacht, wie eine Auswertung von Media Control fürs Börsenblatt gezeigt hat: Im Bargeschäft von Mai bis September konnten kleinere Buchhandlungen ihre Vor-Pandemie-Umsätze wieder erreichen – während größere Unternehmen noch weit davon entfernt waren. Der Unternehmerlohn kommt trotzdem oft zu kurz, wie der Jahresbetriebsvergleich immer wieder aufs Neue zeigt – gut also, dass das Thema Rabattspreizung und Konditionengestaltung 2021 wieder stärker in den Fokus gerückt ist.
Webshops haben in der Pandemie den Umsatz der Buchhandlungen vor Ort beflügelt. Auch dank der White-Label-Shops der Barsortimente war der Buchhandel dem übrigen Einzelhandel beim E-Commerce ja schon immer voraus, aber jetzt wissen es die Kund:innen auch!
Ein Beispiel für viele: Das Frankfurter Literaturhaus veranstaltete ein digitales Festival für kulturelle Diversität in Erinnerung an die Anschläge in Hanau. Mit 6 000 Besuchern – weit mehr, als im Literaturhaus untergebracht hätten werden können. Und das Literaturhaus Berlin hat mit literaturkanal.tv eine Streamingplattform gestartet, die all die schönen Online-Literaturangebote bündelt, kuratiert und kostenlos zur Verfügung stellt.
Meinungsfreiheit ist doch selbstverständlich? Leider nicht. In vielen Ländern können Menschen sich nicht offen äußern, ohne dabei ihr Leben aufs Spiel zu setzen. Der Börsenverein hat 2021 unter dem Motto #MehrAlsMeineMeinung die Woche der Meinungsfreiheit initiiert, an der sich viele Buchhandlungen und Verlage beteiligt haben – 30 Partner wie Amnesty International, Eintracht Frankfurt oder die Deutsche Fachpresse.
2022 geht es weiter!
Die scheidende Kulturstaatsministerin Monika Grütters hat ein großes Herz für die Buchbranche, nicht erst seit Corona. Im zweiten Jahr der Pandemie hat sie mit der Anerkennungsprämie noch einmal alles für den unabhängigen Buchhandel gegeben: Bis zu 1 030 Buchhandlungen können auf Antrag und nach Bewertung anhand eines Punktesystems Prämien zwischen 8 000 und 25 000 Euro erhalten. Die Kohle fließt dann im Frühjahr 2022.
Monika Grütters kämpft wie eine Löwin für die ihr anvertraute Kultur
Alexander Skipis, bis Endre 2021 Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins
Im Berliner Humboldt-Forum wurde im Juni der erste Deutsche Sachbuchpreis vergeben – vor anwesenden Autor:innen und im Livestream. Für Vorsteherin Karin Schmidt-Friderichs war für die Preisvergabe kein besserer Zeitpunkt denkbar: Fake News und eine gewisse Wissenschaftsfeindlichkeit machten es notwendiger denn je, sich in vertiefter Lektüre valide und zertifizierte Informationen zu besorgen, sagte sie bei der Verleihung.
Nicht nur, dass die Arbeit gut funktioniert hat, das Homeoffice hat auch für neue Eindrücke gesorgt: Per Zoom, Skype und Teams haben wir nicht nur Einrichtung, Kinder und Haustiere, sondern auch die Partner unser Kolleginnen und Kollegen ganz gut kennengelernt. Den einen oder die andere dürfen sie im nächsten Jahr gern mal mit ins Büro bringen!
Verlage erhalten künftig wieder einen Ausgleich, wenn ihre Publikationen privat kopiert, durch Bibliotheken verliehen oder sonst in gesetzlich erlaubter Weise genutzt werden. Dies war bislang durch Gerichtsurteile seit 2015 nicht mehr möglich und führte zu Einnahmeausfällen von insgesamt über 200 Millionen Euro.
Corona hat manchen Auszubildenden
das Leben schwer gemacht, besonders im Buchhandel. Das neue »Gütesiegel Ausbildung« der Nachwuchs-AG will sich für eine faire, umfassende, für alle Seiten gewinnbringende Ausbildung einsetzen – und soll schon auf der Frankfurter Buchmesse 2022 erstmals verliehen werden!
Etwa drei Millionen Kinder werden beim Lesen nicht ausreichend unterstützt, so die Schätzung. Mit einem »Nationalen Lesepakt« wollen der Börsenverein und die Stiftung Lesen das gesellschaftliche Engagement für das Lesen steigern und Angebote schaffen für alle, die junge Menschen beim Lesenlernen unterstützen. Rund 150 Partner sind beteiligt, darunter Verlage, Filialisten und zahlreiche Unternehmen, Medien oder Verbände. Viel hilft manchmal doch viel!
Tsitsi Dangarembga, Schriftstellerin und Filmemacherin aus Simbabwe, wurde im Oktober mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet. In ihrer Dankesrede hielt sie dem Westen den Spiegel vor und erinnerte an die Gewaltherrschaft der Kolonialzeit. Rassismus sei verantwortlich für einen großen Teil der Gewalt, die sich Menschen gegenseitig antun, so Dangarembga in ihrer bewegenden, ebenso philosophischen wie politischen Rede, die noch lange nachhallen wird.
Wir brauchen eine neue Aufklärung.
Tsitsi Dangarembga
Die 73. Frankfurter Buchmesse fand im Zeichen der Wiederbegegnung statt. Die Sehnsucht nach Gemeinschaft war groß, die Wiedersehensfreude nach langer Abstinenz in den Gängen spürbar. 36 000 Fachbesucher und 37 500 Leser kamen zur Bücherschau. In zahlreichen Veranstaltungen auf der Messe ging es unter dem Motto »Wie wollen wir leben?« unter anderem um Diversität, in der öffentlichen Wahrnehmung dominierte die Frage, wie mit rechten Verlagen auf der Buchmesse umgegangen werden sollte.
Unter dem Motto »Brain & Books« stand eine neue Pop-up-Messe für Wissenschafts-, Sachbuch- und Fachverlage, die der Landesverband Berlin-Brandenburg des Börsenvereins organisiert. Nach einem rein digitalen Durchlauf 2020 konnte das Forum für die rund 50 Wissenschafts- und Fachverlage der Region in diesem Jahr endlich auch live im Tagungswerk Kreuzberg stattfinden.
Deutschlands beste Vorleserin 2021 ist Lucie Mathias aus Bad Kreuznach. Mehr als 400 000 Schüler:innen haben sich am 62. Vorlesewettbewerb des Börsenvereins beteiligt. Ab den Regionalentscheiden wurden die Vorleseparts per Video zum Wettbewerb eingereicht. Viele andere Schulwettbewerbe und Projekte mussten coronabedingt abgebrochen werden, umso größer war der Bedarf der Schulen an digitalen Bildungsangeboten während des Homeschoolings. Mit gemeinsamen Kräften haben Schulen, Eltern, Veranstalter, Partner und die Kinder mit ihren großartigen Videos etwas Neues entstehen lassen.
Erst eröffnet Rasmus Schöll, Inhaber der Aegis Buchhandlung in Ulm, mit seiner Auszubildendenen Franziska Pentz in gleichberechtigter Partnerschaft eine neue Buchhandlung im Stadtteil Söflingen, dann gründen die beiden mit dem Gastronom Mathieu Wrack eine OHG – und übernehmen in der Ulmer Innenstadt ein Traditionscafé mit 350 Plätzen. Die Eröffnung ist nach Renovierung für das Frühjahr geplant. Wie kann der unabhängige Buchhandel angesichts der Verödung der Innenstädte überleben? Indem er sie selber belebt!
Der Züricher Verleger Daniel Kampa hat den Salzburger Verlag Jung und Jung und den Frankfurter Verlag Schöffling & Co. gekauft. Beide Verlage sollen ihre Sitze behalten, auch die jeweils vorhandenen Autorenverträge und alle Mitarbeiter:innen sollen in den Verlagen bleiben. Schön, dass 2021 mal ein kleiner unabhängiger Verlag auf Einkaufstour gegangen ist!
Der kleine Frankfurter Westend Verlag geht 2021 mit dem Wissenschaftsverlag »Westend academics« an den Start. Außerdem heben die Sachbuchexperten gemeinsam mit dem ehemaligen weissbooks.w-Verleger Rainer Weiss die Edition W für Belletristik aus der Taufe.