Serie: Kulturpass im Buchhandel (2)

Bücher Wenner: "Es werden viele fremdsprachige Titel bestellt"

30. August 2023
Charline Vorherr

Welche Erfahrungen machen Buchhandlungen mit dem Kulturpass? Jonas Wenner berichtet, welche Genres und Verlage bei den 18-jährigen ganz oben stehen und wie er den Kulturpass in das eigene Warenwirtschaftssystem integriert hat – ein Tipp auch für andere Buchhändler:innen.

Logo zur KulturPass-Serie

Warenwirtschaftssystem und Kulturpass per Schnittstelle verbunden

"Als Buchhandlung unserer Größe in Osnabrück und Oldenburg kann man sich der Teilnahme am Kulturpass letztlich nicht verweigern", sagt Jonas Wenner über die Teilnahme von Bücher Wenner am Kulturpass. Insbesondere dann, wenn man mit seinem Sortiment die Zielgruppe der 18-jährigen bewusst anspreche.

Um die Arbeit für seine Mitarbeiter:innen in den Filialen zu vereinfachen, hat sich Wenner für die Einbindung von Mirakl, dem Marktplatz hinter der Kulturpass-App, in sein Warenwirtschaftssystem entschieden. Das funktioniert per API, eine Programmierschnittstelle, die die Kommunikation zwischen den beiden Systemen ermöglicht. "Man verkauft nicht mehr, verringert aber damit die Arbeit für die Mitarbeiter", erklärt Wenner. Seine Mitarbeiter:innen müssen nicht in ein zusätzliches Systeme eingearbeitet werden und können alle für Kulturpass-Bestellungen eingesetzt werden. Diese können direkt über das eigene Warenwirtschaftssystem bearbeitet werden. Alle Statusveränderungen der Bestellungen werden angezeigt und abgeholte Bücher können quittiert werden. 

Buchhandelskolleg:innen würde er also zunächst empfehlen Zeit und Nutzen abzuschätzen. "Wenn man eine Kulturpass-Bestellung am Tag hat, ist der Aufwand mit zwei Programmen keine große Sache. Habe ich aber fünf Bestellungen am Tag, erleichtert mir die Schnittstelle Arbeit." Jonas Wenner hat sich eingelesen, zwei freie Abende investiert und die Schnittstelle selbst eingerichtet. Voraussetzung ist ein Warenwirtschaftssystem, das solche Schnittstellen ermöglicht.

Die Abrechnung am Ende gleicht Wenner aus Sicherheitsgründen mit Mirakl ab.

Ein Blick in das New Adult-Regal von Bücher Wenner.

Diese Bücher werden bei Bücher Wenner über den Kulturpass bestellt

Eine deutlich dreistellige Zahl an Bestellungen zählt Bücher Wenner inzwischen seit dem Launch des Kulturgutscheins. "Wenig überraschend sind es vor allem Mangas und andere belletristische Titel, die bestellt werden." Von den Mangas werden häufig gleich zwei bis fünf Bände, also Teile einer ganzen Reihe bestellt, belletristische Titel oft auf Englisch - von Fantasy bis Young Adult ist alles dabei. "In der Zielgruppe sind natürlich auch viele angehende Studenten dabei, deshalb wird auch schon Einstiegsliteratur über den Kulturpass bestellt." Wenner rechnet damit, dass solche Bestellungen insbesondere ab dem Herbst zunehmen werden. 

Das BKM gibt keine Auskunft darüber, welche Bücher über den Kulturpass bestellt werden und begründet dies mit den Datenschutzbestimmungen der App. Interessante Fakten über das Kaufverhalten von 18-Jährigen Leser:innen würden die Daten für die Branche allerdings bereithalten.  

Diese Verlage und Sprachen werden bei Wenner über den Kulturpass bestellt:

Nach Verlagen: 

1. LYX (mit Abstand = ca. 5% der Gesamtanzahl nach Exemplaren)
2. Manga Cult
3. Panini
4. Beltz
5. Heyne
6. Droemer
7. dtv

Nach Ländern:

1. 978 3 (deutsch)
2. 978 1 (englisch)
3. 978 0 (englisch)
4. 978 2 (französisch)

"Der Anteil von deutschsprachigen Titeln liegt bei ca. 2/3. Das ist gemessen an unserem durchschnittlichen Absatz wenig bzw. die ausländischen Titel sind mit 1/3 überdurchschnittlich stark", erläutert Wenner. Einzelne Bestseller gebe es allerdings noch nicht. Nur sehr wenige Titel würden mehrfach gekauft. 

Jonas Wenner

Kritik an der Zielgruppe

Um Kulturpass-Bücher abzuholen, müssen die 18-Jährigen in die Buchhandlung kommen. Ein Wunsch der Branche an den Kulturpass ist es deshalb, dass viele der 18-jährigen dem stationären Buchhandel als Leser:innen erhalten bleiben. Da die Datenschutzbestimmungen in der App allerdings sehr hoch sind und die Buchhandlung nicht weiß, wer genau bestellt, lässt sich für Wenner schwer einschätzen, ob vorwiegend Bestandskunden oder neue Kunden bestellen – insbesondere auch, weil alle Wenner-Mitarbeiter:innen alle Kulturpass-Besteller:innen betreuen.

"Manchmal sieht man ein bekanntes Gesicht", so Wenner. Deutlich werde aber auch, "dass der Kulturpass keine Kulturfördermaßnahme ist, die sich an bildungsferne Schichten richtet." Letztlich profitieren auch oder vor allem Kinder reicher, besser situierter oder gebildeter Eltern vom Kulturpass. In der Anmeldung über die Online-Ausweisfunktion, die Digital- und Lesekompetenz erfordert, erkennt Wenner beispielsweise eine deutliche Hemmschwelle für eben jene Kinder aus bildungsfernen Schichten.

Gänzlich unkritisch sieht Wenner den Kulturpass also nicht. Er stellt die Frage in den Raum, ob man mit dem Geld nicht auch in die Alphabetisierung oder die Leseförderung in Vor- und Grundschulen für Kinder bildungsferner Familien investieren könnte. "Darüber kann man sich aber bei jeder Kulturmaßnahme streiten. Letztlich ist es eine Umverteilung von unten nach oben. Wenn man sich damit abgefunden, ist der Kulturpass eine gute Sache. Wenn es schon regnet, möchte ich auch nass werden."

Kritik an der Performance

Kritik äußert Jonas Wenner außerdem an der Kulturpass-App und ihrer Performance. Die lokale Eingrenzung funktioniere noch immer schlecht, sodass er Bestellungen weit außerhalb seines normalen Radius' bekommt, die anschließend storniert werden. Kund:innen seien aufgrund der Datenschutzbestimmungen nur über die App erreichbar. Die anonymen Bestellungen würden zu geringeren Verbindlichkeiten und höheren Stornierungszahlen auf Seiten der Kund:innen führen. Auch die Suchfunktion im Katalog sei mit den Buchsuchmaschinen von Buchhändlern nicht zu vergleichen. Außerdem finde man viele Angebote, die nicht zur Zielgruppe passen oder gar höchst kritische Titel von rechten Verlagen, wie eine Recherche der FAZ zeige. "Am Ende kann sich aber jeder Buchhändler selbst überlegen, ob man entsprechende Aufträge ausführt oder kommentarlos storniert", kommentiert Jonas Wenner. Einzelne Titel aus seinem Angebot nehmen, wie in eigenen und White-Label-Shops, könne man beim Kulturpass-Marktplatz nicht. 

Wenner sei sich bewusst, dass der Staat keine ganzen Verlage einfach ausklammern könne, schlägt dafür vor, Genres wie Belletristik, Jugendbuch und Fantasy im Ranking zu priorisieren.

Mirakl – der französische Marktplatz hinter der Kulturpass-App – funktioniere dagegen super. Wie man den Kulturpass endgültig bewerte und ob der Erfolg mit dem in Frankreich vergleichbar sein wird – das bleibt für Jonas Wenner noch abzuwarten.