Wie eine große Familie
Die Interessengemeinschaft unabhängiger Verlage (IGuV) im Börsenverein hat sich kürzlich zur Jahrestagung in Berlin getroffen – mit spannendem Programm und vielen Gesprächen. Das Börsenblatt war dabei.
Die Interessengemeinschaft unabhängiger Verlage (IGuV) im Börsenverein hat sich kürzlich zur Jahrestagung in Berlin getroffen – mit spannendem Programm und vielen Gesprächen. Das Börsenblatt war dabei.
Bei schönstem Spätsommerwetter fand vom 14. bis 16. September die Jahrestagung der IG unabhängige Verlage (IGuV) des Börsenvereins im imposanten Aufbau Haus in Berlin statt – die Teilnehmerinnen und Teilnehmer begrüßten sich freudig, kamen sofort miteinander ins Gespräch. Eine große Familie. Zur Stärkung gab es Getränke, Obst und Gebäck vor der Fensterfront des Veranstaltungsraums im fünften Stock – beim Blick durch die Scheiben sah man unten den Moritzplatz liegen, konnte die Augen weiter über Kreuzberg schweifen lassen.
"We Are Strong Together If We Work Together" stand auf einem Plakat an der Wand – wie passend. Der Satz wurde mehrfach aufgegriffen und mauserte sich zum heimlichen Motto der Tagung, die vom fruchtbaren Netzwerken geprägt war.
Der Sprecherkreis zog zum Auftakt eine Bilanz der vergangenen Monate (Björn Bedey konnte wegen eines grippalen Infekts leider nicht vor Ort sein). Rund 50 IGuV-Mitglieder hatten sich angemeldet, meist aus kleinen oder kleinsten Verlagen. Maria Frühwald (KVC Verlag) freute sich, dass so viele gekommen waren und kündigte ein Programm an, "das mit Aufbruch zu tun hat" – auch wenn derzeit viele der kleinen Verlage aus unterschiedlichsten Gründen ums Überleben kämpften. Zuversichtlich blickt sie etwa der Frankfurter Buchmesse entgegen, lobte, dass diese 200 kostenlose Tickets für die Kleinen zur Verfügung stellt. Zudem wird es wieder einen Gemeinschaftsstand kleiner Verlage geben, wie Karin Timme (Frank & Timme), ebenfalls Sprecherin, ergänzte. "Geschüttelt" worden sei man von Problemen bei BoD, Zeitfracht und LKG, es gab viele Fragen im Hintergrund zu klären.
Der erste Vortrag gehörte dann dem Dienstleister Klopotek & Partner, der die Tagung auch unterstützt hat. Petra Steinfeld und Wolf-Michael Mehl präsentierten ein kostengünstigeres Cloud-Angebot für IGuV-Mitglieder, warben damit, dass Profi-Tools wie ihre eine bessere Sichbarkeit online schaffen könnten. Mangelnde Sichtbarkeit ist einer der Knackpunkte der kleinen Verlage, wie im Laufe der Tagung immer wieder zu hören war – aber auch ein enger finanzieller Rahmen ohne allzu große Spielräume.
Erhellend und nicht nur von Gerd Fischer (mainbook Verlag) als eines der Tagungshighlights bezeichnet, war der Vortrag von Birgit Reuß und Kristina Kramer vom Berliner Büro des Börsenvereins zu ihrer Lobbyarbeit auf nationaler und der komplexeren auf internationaler Ebene (Stabsbereich Europäische und Internationale Angelegenheiten).
Dass der Börsenverein ein großer Verband ist, der alle Wirtschaftsstufen der Branche verbindet – das ist für Birgit Reuß ein nicht zu unterschätzender Vorteil. In der Politik werde es durchaus sehr geschätzt, dass der Börsenverein alle Informationen gebündelt aus einer Hand biete. Deutlich wurde aber, welch großer Aufwand, welch zähes Ringen hinter den Kulissen stattfindet. Kernthemen seien Urheberrecht, Buchpreisbindung und Mehrwertsteuer, hier sei eigentlich in jeder Legislaturperiode in Berlin wie in Brüssel etwas zu tun.
In Berlin habe man sich den ganzen Sommer lang der strukturellen Verlagsförderung gewidmet und zahlreiche Gespräche mit Kultur- und Haushaltspolitikern geführt, führte Reuß aus. Ein Thema, das gerade die IGuV-Mitglieder immens interessiert, das war zu merken. Als Blaupause dient das Schweizer Modell, dort gibt es eine Antragsförderung für alle Verlage. In Deutschland liege der Fokus auf den kleinen Indie-Verlagen. Das Berliner Büro habe ein Eckpunktepapier erarbeitet und den Haushältern im Bundestag als Beratungsgrundlage zur Verfügung gestellt. Ziel einer strukturellen Verlagsförderung sei es, die "Vielfalt in der Verlagslandschaft zu erhalten". In Finanzminister Lindners Haushalt sei allerdings keine Summe dafür vorgesehen. Jetzt liege der Ball im Parlament, hier nachzubessern. Der Ausgang der Beratungen (bis Ende November) sei offen, so Reuß – auch wenn Unterstützung für das Anliegen signalisiert worden sei.
Kristina Kramer berichtete unter anderem von dem just am gleichen Tag im EU-Parlament verabschiedeten Bericht "Die Zukunft der europäischen Buchbranche" – und dem Weg dorthin. Stichworte der Empfehlungen an EU-Gesetzgeber und Mitgliedsstaaten seien: faire KI-Regelungen, Maßnahmen zur Leseförderung und Aufstockung der EU-Förderprogramme. Mehr dazu findet sich: hier.
Der zweite Tag begann mit Andreas Krauß, Vertriebsleiter des Aufbau Verlags, der locker die Geschichte des Verlags, des Aufbau Hauses und natürlich von seinem Arbeitsfeld erzählte. Er freute sich mit einem Augenzwinkern, "dass alle gut nach Kreuzberg einreisen konnten", seit der Gillamoos-Rede von Friedrich Merz (CDU) gehöre man ja nicht mehr dazu. Das sorgte für Heiterkeit im Saal. Dabei sei der Moritzplatz nach dem Autor des deutschen Klassikers "Anton Reiser" benannt, betonte der Vertriebsleiter.
Oliver Schnoor breitete dann die Vision von Libri.Plureos für BoD aus: "green flagged" und schnell lieferbar. Stichwort: hybride Lagerung. "Da sind wir aber noch nicht", räumte er ein. Angeschafft habe man eine neue Maschine (HP) für eine dritte Produktionslinie. Diese soll fürs kommende Weihnachtsgeschäft als Backup bereitstehen. Er lud die IGuV zum Besuch in Bad Hersfeld ein. Die zahlreichen Fragen, etwa zu Remittenden bei PoD-Titeln (soll möglich sein), beantwortete er klar. "Haben Sie noch ein bisschen Geduld mit uns", so seine Bitte am Ende.
Danach folgte mit "KI: Möglichkeiten und Grenzen, Chancen und Risiken" ein weiteres Topthema. Der Impulsvortrag von Tim Schleicher (Lead Machine Learing) brachte kurz und knapp auf den Punkt, wie KI, maschinelles Lernen und Tools wie ChatGPT funktionieren und welche Gefahren hier lauern. An der sich anschließenden Podiumsdiskussion nahmen zudem Hermann Eckel (connect2act / IG Digital), Sandra Thoms (Bedey & Thoms) und Sven Nieder (Kraterleuchten) teil. Für Sven Nieder die drei wichtigsten Aspekte bei der Diskussion um KI:
Hilfreich ist KI etwa bei Covergestaltung und Titelfindung oder bei der Optimierung von Metadaten: Das wurde in der Podiumsrunde deutlich. Gerade die KI-gestützte Titelfindung führt aber auch zu skurrilen Ergebnissen, wie eine Verlegerin berichtete. Als sie einen Titel für einen Liebesroman mit einem Schornsteinfeger suchte, wurde ihr vorgeschlagen: "Romanze in Ruß".
Aus dem Publikum kamen durchaus Zweifel am Nutzen künstlicher Intelligenz. Und die komplexe Frage des Urheberrechts bei ChatGPT & Co. wurde behandelt. Sven Nieder betonte allerdings, der Prozess lasse sich nicht mehr aufhalten. "Wie reagieren wir darauf?" – das sei die zentrale Frage.
Außerdem auf dem umfangreichen Tagungsprogramm: die Arbeit des integrativen Kinderbuchverlags bli bla blub, Praxistipps für Nachfolgeregelungen und erfolgreiche Medien- und PR-Arbeit. Nicht zu vergessen: die Neuwahl des Sprecherkreises.
Beim Abendessen im Brauhaus Südstern und der Taverna Athene wurde in geselliger Runde weiterdiskutiert. Zum Ausklang gab es am Samstag noch eine Schifffahrt auf der Spree, wieder im Zeichen der Sonne.
Für Siegfried Nucke (Verlag Tasten & Typen) ist die IGuV-Tagung aus gutem Grund ein fester Termin im Kalender. "Super informativ" sei diese gewesen, so Silke Boger (Pinguletta), die zum ersten Mal dabei und mit ihrem Mann angereist war. Sie will nächstes Jahr wiederkommen. Die beiden hatten mit einigen anderen Teilnehmern in einer spontan gegründeten Airbnb-WG gewohnt. Das zeigt den Zusammenhalt unter den kleinen Verlagen aufs Schönste.