Verlegerin und Prix-Voltaire-Preisträgerin Pham Doan Trang verhaftet

Vietnamesische Verlage sind in Gefahr

7. Oktober 2020
Redaktion Börsenblatt

Die vietnamesische Autorin, Journalistin und Verlegerin Pham Doan Trang (Liberal Publishing House), die diesjährige Trägerin des Prix Voltaire, ist am 6. Oktober verhaftet worden, wie die Internationale Verleger-Vereinigung IPA meldet. Der aktuelle Fall ist nur ein Beispiel für die gefährliche Situation, in der sich Verlage in Vietnam befinden. Wie sich die Lage in den vergangenen Jahren zugespitzt hat, analysiert der Verleger Christoph Links in einem ausführlichen Beitrag. 

In diesem Jahr hat der Internationale Verlegerverband IPA seinen mit 10.000 Schweizer Franken dotierten Prix Voltaire Preis an den vietnamesische Verlag Liberal Publishing House verliehen, der sich zur Zeit harten Verfolgungen ausgesetzt sieht. Das in Ho Chi Minh Stadt (ehemals Saigon) ansässige Non-Profit-Unternehmen publiziert kritische Texte zur undemokratischen Situation im Ein-Parteien-Staat, die an der Zensur vorbei als gedruckte Bücher und als E-Books erscheinen. Seit der Gründung im Februar 2019 geschieht dies aus dem Untergrund heraus. Der Schritt dazu ist verständlich, wenn man die generelle Situation der Verlage im Land kennt.

Bei zwei Verlegerseminaren vor Ort in den Jahren 2010 und 2014 konnte ich einen ersten Einblick gewinnen und bin seitdem mit einigen Kollegen von dort in Kontakt. Danach stellt sich die Situation so dar: Neben den alten Partei- und Staatsverlagen, die allein über ein Publikationsrecht und die dafür erforderlichen ISBN verfügen, sind in den Jahren ab 2000 auch einige Privatverlage zugelassen worden, die allerdings nur über eine Unterlizenz der staatsnahen Verlage publizieren dürfen. Um unter deren Dach und mit deren ISBN Bücher auf den Markt bringen zu können, müssen die Texte die dortigen Zensurmechanismen durchlaufen haben und 6 bis 8 Prozent aller Einnahmen an den "Dachverlag" abgegeben werden. So konnte beispielsweise übersetzte westliche Unterhaltungsliteratur in großen Auflagen im Land verbreitet werden und mitunter auch ein vorsichtig kritisches Sachbuch erscheinen. Der Import von ausländischen Büchern bedarf der Genehmigung der Publikationsabteilung des Informationsministeriums für jeden einzelnen Titel.

Nach der ideologischen Verschärfung im Jahr 2016 allerdings, als sich die kommunistischen Hardliner auf dem Parteikongress durchgesetzt hatten, wurden die Gesetze verschärft, alle Äußerungen gegen Partei, Staat und die nationale Sicherheit sowie die "Verbreitung reaktionärer Ideen" verboten. Das Ministerium für öffentliche Sicherheit ging fortan massiv gegen kritische Journalisten und Buchautoren vor. Im Ergebnis dessen verlagerte sich ein Großteil der unabhängigen Berichterstattung ins Internet, woraufhin der Staat Ende 2017 eine eigene Cyber-Armee schuf und zahlreiche Blogger verhaften ließ. 2019 folgte ein spezielles Gesetz gegen "Internetkriminalität", wonach unter anderem alle Online-Plattformen (auch die ausländischen) die Daten einheimischer Nutzer auf Servern in Vietnam speichern und auf Verlangen den Behörden herausgeben müssen.

In der Bewertung der Pressefreiheit durch die Organisation "Reporter ohne Grenzen" fiel Vietnam auf Platz 175 von 180 Staaten zurück. Beinahe monatlich erreichen uns in diesem Jahr Berichte über langjährige Haftstrafen für kritische Autoren. Im August 2020 beispielsweise wurde der Blogger Truong Duy Nhat wegen "Missbrauchs demokratischer Freiheiten" zu zehn Jahren verurteilt, nachdem er zuvor aus Thailand entführt worden war. Die Coronakrise wird zusätzlich dazu genutzt, gegen Kritik massiv vorzugehen, da nach den jüngsten Gesetzten auch alles verboten ist, was "Verwirrung in der Gesellschaft" auslösen könnte.

Die Eingriffe betreffen seit einiger Zeit auch ausländische Kultureinrichtungen wie etwa das Goethe-Institut, das zuvor durch das deutsch-vietnamesische Kulturabkommen weitgehend geschützt war. Die Balanceakte, die dort vor Ort oft erforderlich sind, um die Weiterarbeit zu ermöglichen und wie die Zensur im Kunstbereich funktioniert, schildert Heike Baldauf in ihrem Buch "Länderporträt Vietnam" sehr anschaulich.

In dieser verschärften Situation sind kritische Publikationen letztlich nur noch aus dem Untergrund heraus möglich. Die Staatsorgane reagieren immer dann besonders heftig, wenn es um die Darstellung ihrer Privilegien und des fortschreitenden Machtmissbrauchs geht, der ganz besonders deutlich an der unrechtmäßigen Landaneignung durch Funktionäre und hohe Militärs wird.

Der Preis des Freedom to publish-Komitees des Internationalen Verlegerverbandes IPA, der in den letzten Jahren an verfolgte Verleger in Ägypten, Hong Kong, der Türkei, Saudi-Arabien und Belarus gegangen ist, macht in diesem Jahr sehr zu recht auf die menschenrechtsfeindliche Situation in Vietnam aufmerksam.

So weit der Beitrag von Christoph Links. Zur Verhaftung der Verlegerin Pham Doan Trang

Der Prix-Voltaire-Preisträgerin 2020 und Mitbegründerin des Verlags Liberal Publishing House werden laut IPA gegen den Staat gerichtete Propaganda-Aktivitäten vorgeworfen. Trang ist als Teilnehmerin einer Session der Frankfurter Buchmesse und der IPA vorgesehen ("Guerilla Publishing and International Support" (15. Oktober, 13.30 Uhr). Ein vorproduziertes Video mit ihr wird ausgestrahlt, während sie selbst vermutlich noch in Haft sein wird. IPA-Präsident Hugo Setzer und Buchmesse-Direktor Juergen Boos zeigten sich besorgt angesichts der aktuellen Entwicklung.

Der Europäische Verlegerverband (FEP) fordert die sofortige Freilassung Pham Doan Trangs und hat an die Europäische Kommission appelliert, sich dafür einzusetzen. FEP-Präsident Peter Kraus vom Cleff betont, das Europa in der Zusammenarbeit mit anderen Ländern die Meinungs- und Publikationsfreiheit in das Zentrum der Aufmerksamkeit stellen solle.