Frühjahrstagung der IG Ratgeber

„Selten war es so ungewiss, wo die Reise hingeht“

21. Mai 2021
von Sabine Cronau

Der Ratgebermarkt steuert bislang erfreulich sicher durch die Pandemie. Wie sind die Prognosen für 2021? Und wie bewerten Ratgeberverlage den „Runden Tisch zur Buchpreisbindung“? Diskussionsstoff für die IG Ratgeber des Börsenvereins, die sich am Donnerstag zur digitalen Frühjahrstagung traf.

Eigentlich wollten die Ratgeberverlage endlich wieder live tagen, bei der Verbraucherzentrale NRW in Düsseldorf – doch auch im Mai 2021 blieb am Ende nur die Zoom-Konferenz: Gut 30 Teilnehmer*innen aus Verlagen und aus dem Buchhandel wählten sich am 20. Mai ein, um über die Entwicklung der Warengruppe und aktuelle Pläne der Interessengruppe zu sprechen.

Zu Gast war Börsenvereinsvorsteherin Karin Schmidt-Friderichs, die über den "Runden Tisch zur Buchpreisbindung" und seine zentralen Ergebnisse informierte. Wie berichtet, geht es dabei um das Dauerthema Rabattspreizung. Um die Entwicklung der Konditionen "in statistisch signifikanter Weise binnen eines Zeitfensters von ca. einem Jahr zu überprüfen", sollen nun mehrere anonymisierte und unabhängige Umfragen in der Branche durchgeführt werden. Außerdem wird eine Ombudsstelle eingerichtet, die bei Problemen eingeschaltet werden kann (mehr dazu hier).

Die Vorsteherin appellierte an die Ratgeberverlage, beides zu unterstützen: "Denn nur wenn wir uns alle aus der Deckung trauen, können die jetzt besprochenen Maßnahmen auch Wirkung zeigen." Die Ratgeberverlage nahmen den Appell positiv auf: Er finde das Ergebnis, das am Runden Tisch vereinbart wurde, "sehr ordentlich", fasste Folkert Roggenkamp (Deutsche Bibelgesellschaft) zusammen. Der Erfolg hänge allerdings auch davon ab, ob bei den Umfragen die richtigen Fragen formuliert würden, ergänzte Torsten Hilt (Humboldt).

Vo allem beim Kochbuch gibt es eine nachhaltige Marktbelebung.

Michael Zirn, Frech Verlag, Sprecherkreis der IG Ratgeber

Der Ratgebermarkt in der Pandemie

Danach kamen Zahlen auf den Tisch. Michael Zirn, Frech-Verleger und Mitglied im Sprecherkreis, skizzierte die Marktentwicklung der vergangenen Monate. Der Ratgebermarkt schloss das Jahr 2020 mit einem hauchdünnen Umsatzminus von minus 0,34 Prozent ab – und bewegte sich damit nahezu auf Vorjahresniveau, trotz der beiden Lockdownphasen im Frühjahr und kurz vor Weihnachten. "Dass wir das alle gemeinsam mit dem Buchhandel in so einem bewegten Jahr geschafft haben, ist für mich wirklich faszinierend", so Zirn.

Zu den gefragten und wachstumsstärksten Warengruppen 2020 gehörten:

  • Natur, Garten, Heimtier (plus 10,5 Prozent gegenüber 2019, Media Control)
  • Essen & Trinken (9,3 Prozent)
  • Hobby, Haus (plus 6,8 Prozent)

Alle drei Warengruppen machten den Ratgeberverlagen auch in den ersten 18 Kalenderwochen 2021 viel Freude, denn die Umsätze liegen hier zum Teil deutlich über dem Niveau des Vor-Corona-Jahres 2019. Vor allem beim Kochbuch setzt Michael Zirn auf eine "nachhaltige Belebung" des Marktes. Der direkte Vergleich mit 2020 ist schwierig, weil der Frühjahrslockdown im März / April vergangenen Jahres für Umsatzsprünge sorgt, die das Marktbild verzerren.

Im Moment sehen die Verbraucher*innen doch noch Chancen auf einen Sommerurlaub – und scheinen deshalb ihren Konsum in anderen Bereichen zurückzufahren.

Nicole Schindler, Ulmer-Verlag, Sprecherkreis der IG Ratgeber

Die zentralen Themen der Verlage

Wie geht es 2021 weiter? Im Moment sind Kund*innen und Buchhandel eher zögerlich, der Mai wird wohl nicht nur beim Wetter trübe. "Selten war es so ungewiss, wo die Reise hingeht“, bilanzierte Michael Zirn. Zwei Faktoren spielen dabei eine Rolle: Zum einen muss sich der Mai 2021 an einer umsatzstarken Nach-Lockdown-Phase 2020 messen, zum anderen sehen die Verbraucher*innen vielleicht doch noch Chancen auf einen Sommerurlaub – "und fahren deshalb ihren Konsum in anderen Bereichen zurück", wie Nicole Schindler vermutet, Marketing- und Vertriebsleiterin im Ulmer Verlag und ebenfalls Mitglied im Sprecherkreis der IG Ratgeber.

Welche Themen rund um den Ratgebermarkt brennen den Mitgliedern angesichts der vielen Unwägbarkeiten besonders auf den Nägeln? Dazu hat der Sprecherkreis eine Umfrage in der Interessengruppe gestartet. Drei zentrale Fragen haben sich dabei herauskristallisiert, die nun von kleinen Arbeitsgruppen tiefer bearbeitet werden sollen, mit ersten Ergebnissen bis zur Frankfurter Buchmesse:

  • Welche Vertriebsformen sind die richtigen? (Best-Practice-Beispiele)
  • Wie werden sich Ratgeber perspektivisch verändern - und welche Rolle spielt dabei das Internet?
  • Wie viel Marketing können und müssen sich Ratgeberverlage leisten, klassisch und via Social Media?

Das Thema Sichtbarkeit treibt uns auch mit Blick auf die Frankfurter Buchmesse um.

Carlo Günther, PAL-Verleger, Sprecherkreis der IG Ratgeber

Marktforschungskonzept der IG Ratgeber

Darüber hinaus stellte PAL-Verleger Carlo Günther, der ebenfalls zum Sprecher-Trio gehört, Pläne für ein Marktforschungskonzept vor. Das Ziel: Mehr über das Kaufverhalten der Leser*innen zu erfahren. Wie nehmen sie Ratgeber wahr? Wann und wo kaufen sie die Bücher? Bis Ende September soll der konkrete Fragenkatalog stehen, zur Buchmesse dann bei den Verlagen um die Mitfinanzierung geworben werden. Finden sich genügend Geldgeber, könnten die Ergebnisse bis zur nächsten Frühjahrstagung im Mai 2022 vorliegen.

Schon mal zum Vormerken: Das nächste (digitale) Treffen der IG findet am 19. Oktober um 10 Uhr statt, dem Dienstag vor der Frankfurter Buchmesse. Wo finden sich die Ratgeber in den Messehallen wieder? Und wie ist der Stand der Messe-Planungen? Dazu gaben Gabi Rauch-Kneer und Peter Diemer von der Buchmesse ein Update. Die Planungen für den Herbst würden getragen von einem sicheren Hygienekonzept, machte Gabi Rauch-Kneer deutlich.

Ein Gemeinschaftsstand der Ratgeberverlage lasse sich in diesem Jahr aus Kapazitätsgründen leider nicht umsetzen, denkbar sei jedoch, den Stand der unabhängigen Verlage um eine Ratgeber-Fläche zu vergrößern. Und im Leitsystem der Messe sollen nun, neben Belletristik und Sachbuch, ausdrücklich auch die Ratgeber genannt werden.

Fast noch wichtiger als die Pläne für 2021 ist den Ratgeberverlagen allerdings, ob und wie die Messe nach zwei krisenbehafteten Corona-Jahren dann ab 2022 auf ihre Wünsche und Bedürfnisse eingehen wird: "Das Thema Sichtbarkeit treibt uns auch hier um", so Carlo Günther.